Die Gründung und Entwicklung des Klosters Fulda zur Reichsabtei unter Königsschutz 765 mit dem Recht zur freien Abtswahl 804, sein durch Schenkungen, vor allem nach der Ermordung des Bonifatius gewaltig angewachsener Streubesitz, der Fulda zum bedeutendsten Kloster nördlich der Alpen und zur Keimzelle der späteren Stadt Fulda machte, ist bis in Einzelheiten an anderer Stelle dargestellt. Durch diesen königlichen Schutz enger an das Fränkische Reich gebunden, erhielt das Kloster zahlreiche Schenkungen. Die wichtigsten von ihnen waren im Jahr 766 der Königshof Umstadt von Pippin und 777 der königliche fiscus Hammelburg von Karl dem Großen (siehe dazu später ausführlich unter Annex Hammelburg). Dieser verlieh der Abtei 774 auch die kirchliche Immunität.1

Zwei Entwicklungsstränge prägten in den Jahrhunderten des Hochmittelalters die Bedeutung der Reichsabtei. Sie und ihr jeweiliger Abt wurden Teil des Ottonischen Reichskirchensystems. Und es begannen Entfremdung und Konflikte mit den Adligen, an die die dem Kloster gehörenden Güter zu Lehen gegeben worden waren. Ab 968 siedelten sich erste Handwerker und Bauern um das Kloster an. Durch Heinrich II. erhielten die Abtei und die Siedlung 1019 das Münz-, Markt- und Zollrecht. 1114 wurde Fulda das erste Mal als Stadt (civitas) erwähnt. Der lange wirtschaftliche Niedergang des Reichsstifts wurde ab Mitte des 12. Jahrhunderts beendet, als es vor allem Abt Markward (1150-1165) gelang, mit Unterstützung durch den von Mönch Eberhard gefälschten Codex Eberhardi viele Güter zu restituieren, Raubritter zu verjagen, Schutzburgen anzulegen und Fulda 1162 mit einer Stadtmauer zu befestigen.

Seit Fulda 1288 den Status einer Stadt erhalten hatte, waren Konflikte bei der Wahrung ihrer Rechte gegen die Anmaßungen der Äbte unvermeidlich. Kaiser Friedrich II., der 1236 nach einem Progrom an den Fuldaer Juden sie von allen gegen sie erhobenen Anschuldigungen freisprach und sie unter seinen Schutz stellte, erhob die Äbte des Klosters andererseits in den Reichsfürstenstand. Eine erste Abtsburg ließ Fürstabt Heinrich V. von Diez-Weilnau (1288-1313) zwischen 1294 und 1312 außerhalb des Klosters bauen, die im 17. Jahrhundert dann zum Renaissanceschloss umgebaut wurde. Als Heinrich vor 1320 jedoch eine zweite innerhalb der Stadt errichtete, zerstörten die Bürger mit Hilfe des Hochvogts Graf Johann von Ziegenhain die neue Burg, nachdem sie beide Burgen erstürmt hatten. Wie zu erwarten wurde nach Klage des geflüchteten Abtes über die Stadt und den Grafen von Kaiser Ludwig IV. die Reichsacht verhängt. Erst 1331 durch Vermittlung des Trierer Erzbischofs Balduin aufgehoben, mussten zur Sühne Turm und Ringmauer der neuen Burg wiederaufgebaut werden und bedeutende Entschädigungen gezahlt werden. Die Anführer des Aufstandes wurden hingerichtet. 1349 fiel dem ersten hessischen Pestprogrom die überwiegende Mehrheit der jüdischen Bevölkerung Fuldas zum Opfer.

Im Spannungsfeld der beiden Nachbarterritorien, dem Erzbistum Mainz und der Landgrafschaft Hessen fand unter Abt Reinhard von Weilnau (1449 bis 1476) die Entwicklung des Reichsstifts in ein Territorialfürstentum einen Abschluss.

Die sich ab 1517 auch im Stift Fulda ausbreitenden reformatorischen Lehren fanden relativ geringe Resonanz. Äbte, Klerus und Bevölkerung hielten weitgehend am alten Glauben fest. Dagegen schlossen sich die Bürger und Bauern Fuldas Ostern 1525 dem mitteldeutschen Bauernaufstand an und plünderten das Reichsstift mitsamt seinen Nebenklöstern. Als Landgraf Philipp von Hessen am 3. Mai 1525 mit einem starken Heer anrückte, ergaben sich die Bauern nach kurzem Wiederstand. Die gebrandschatzte Stadt musste die Kriegskosten tragen. Trotzdem stieg seitdem die Bedeutung der Landstände stetig an. Um das Hochstift von innen zu erneuern, rief Fürstabt Balthasar von Dernbach 1571 die Jesuiten nach Fulda und setzte gegen den Widerstand des evangelisch gesinnten Stiftsadels die Gegenreformation durch.

Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) blieb auch Fulda nicht verschont. 1622 plünderten und brandschatzten Truppen des Herzogs Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel das Hochstift. Von November 1631 bis zum Oktober 1633 wurde die Stadt von Hessen-Kassel besetzt. Schließlich gelang es am 20. Juni 1640 300 marodierenden schwedischen Reitern ein Stadttor aufzubrechen und die Stadt am Folgetag zu plündern. Unter Fürstabt Joachim von Grafenegg (1644-1671) konnten die meisten Kriegsschäden behoben werden.

Fürstabt Adalbert von Schleifras ernannte Johann Dientzenhofer 1700 zum Stiftsbaumeister. Er beauftragte ihn, die seit Jahrhunderten baufällige Ratgar-Basilika2 abzureißen und an gleicher Stelle einen neuen Dom im Barockstil zu errichten. Fürstabt Adolph von Dalberg (über ihn siehe auch weiter unten) gründete unter anderem die Universität Fulda mit den Fakultäten Theologie, Philosophie, Medizin und Jura. Sie bestand von 1734 bis 1803. Erst 1752 wird die exemte Abtei zum Fürstbistum erhoben.

Mit dem Reichsdeputationshauptschluss endete 1803 das Reichsstift als Territorialfürstentum. Zunächst wurden die Fuldischen Besitzungen Teil des neugebildeten Fürstentums Nassau-Oranien-Fulda bis zur Annexion der Provinz Fulda 1806 durch Napoleon. Ab 1810 wird sie Teil des von ihm geschaffenen Großherzogtums Frankfurt. Auf dem Wiener Kongress 1815 wird die Provinz Fulda aufgelöst und gehörte nach einjähriger preußischer Verwaltung seitdem zu Kurhessen. Die Zahl der Einwohner Fuldas betrug mit der Garnison (eine reitende Abteilung Feldartillerie Nr. 11) 1885 noch immer nur 12.226 (darunter 1880: 3347 Evangelische und 602 Juden). Da Kurhessen im Deutsch-Österreichischen Krieg auf der falschen Seite gestanden hatte, wurde das Land 1866 annektiert und Teil des Königreichs Preußen.3

 

                         Annex Hammelburg

Dem erstmals 716, dann 742 und 752 erwähnten Ort, heute eine Kleinstadt im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen, schenkte am 1. Januar 777 Karl der Große dem 744 vom Sturmius gegründeten Kloster Fulda mit allen seinen Besitzungen und Gütern. Hammelburg gehört danach zu den dreißig ältesten Städten Deutschlands, war ab 1500 Teil des Oberrheinischen Reichskreises.

Durch Fürstabt Adolph Freiherr von Dalberg (*29. Mai 1678, ⸶3. Oktober 1773 auf Schloss Hammelburg) bekam der Ort vermehrt Bedeutung, weil er sich von 1726-1731 im südlichsten Zipfel des fuldischen Territoriums, auch als machtvolle Geste gegenüber dem Bistum Würzburg, von Baumeister Andreas Galasini das sogenannte Rote Schloss als Sommerresidenz bauen ließ.

Von 1797 bis 1803 war Hammelburg Garnisonstadt des 2. Fuldischen Landwehr-Bataillons.

Mit der Säkularisation endete 1803 die über tausend Jahre währende Zugehörigkeit zu Fulda. Bis 1816 vier verschiedenen, auch kurzlebigen Territorien zugeschlagen, gehört Hammelburg seitdem zu Bayern.4, 5

 

Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts sind in Fulda Goldschmiede in den Kirchenbüchern der Stadtkirche nachweisbar. Wie so oft sind sie, weil schreib- und lesekundig, durch den Umgang mit kostbaren Materialien Vertrauenspersonen. Und wie so oft, bekleiden sie dadurch auch hohe Posten in der Stadtverwaltung.6 Doch erst vom 25. Goldschmied auf der Meisterliste, Joannes Foemel, blieb erstmals ein Gegenstand, ein Schlangenhautbecher erhalten (25b).

Dass sich bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts der immer noch kleinen Stadt Fulda7 bisher kein einziges weiteres Stück Profansilber erhalten hat, obwohl es neben dem wohlhabenden Klerus der Reichsabtei ja auch den katholisch gebliebenen hessischen Adel der von Boyneburgk, der von Buttlar etc. als mögliche Besteller gab, erklärt sich aus der Tatsache, dass profane Silbergegenstände regelhaft in die Schmelzöfen wanderte, um aus diesem Material daraus neue im Stil der neuesten Mode anfertigen zu lassen. Dass aber selbst der Ratspokal mit Deckel, um 1600, und der Ratsbecher der Stadt, um 1680, nicht von Fuldaer Goldschmieden, sondern von Abraham u. Lorenz Tittecke aus Nürnberg bzw. von Eberhard Ellers aus Torgau gearbeitet worden sind, lässt den Schluss zu, dass man wohl den einheimischen Goldschmieden nicht viel zugetraut zu haben scheint.8

So sind es, wie in den meisten kleineren und mittleren hessischen Städten die erhaltenen silbervergoldeten Kirchengeräte, die von der Tüchtigkeit ihrer Goldschmiede zeugen. Während aber in den protestantischen Gemeinden Hessens selbst Kelche und Patenen in größerer Zahl aus vorreformatorischer Zeit bis in unsere Tage ihren Dienst tun, wenn sie solide gearbeitet keine Schäden aufweisen und bei wachsender Zahl der Gemeindemitglieder nicht etwa alles Gerät für größeres neues eingeschmolzen, sondern der bestehenden Kanne, dem Kelch eine zweite Kanne, ein zweiter Kelch so nahe wie möglich am Stil des Erstgerätes zugearbeitet wurde, bestand in den katholischen Gemeinden der Reichsabtei ein völlig anderes Vorgehen. Jordan-Ruwe weiß nur von einem einzigen Kelch aus dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts, der sich in der Diözese erhalten hat.9

Fürstabt Joachim von Grafenegg sei es in seinen Regierungsjahren 1644-1671 gelungen, die Verluste, die durch den Dreißigjährigen Krieg entstanden waren, weitgehend auszugleichen, so wie das in den meisten protestantischen Gemeinden Hessens in dieser Zeit auch der Fall war. Während aber diese vasa sacra, die ab Mitte des 17. Jahrhunderts die einheimischen Goldschmiede gearbeitet haten, dort in jeder dieser Gemeinden nachweisbar blieben, hat sich, nach Kenntnis des Autors, kein einziger Kelch, keine einzige Patene von der Hand Fuldaer Goldschmiede aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nachweisen lassen, sieht man ab von der Patene mit Signaculum, die später offensichtlich Goldschmied Ludovicus Josephus Erb reparierte (Abb. Nr. 43c).

Die Fürstäbte hatten bekannterweise für die aufwendige Ausstattung ihres Doms fast ausschließlich Augsburger Goldschmiede beauftragt. Es bleibt dann nur die Vermutung, dass vasa sacra der Gemeinden eben dieser Zeit im hierarchisch organisierten Katholizismus Fuldas eingeschmolzen wurden, um daraus die aufwendig gestalteten Strahlenmonstranzen des 18. Jahrhunderts anfertigen zu lassen.

Bei der Betrachtung der beiden Schlangenhautbecher - einen weiteren fertigte der Augsburger Goldschmied Johann I. Seutter für den Fürstabt von Dalberg - fällt ein weiteres Phänomen auf, das typisch ist für die in den kleineren Orten entstandenen oder georderten Silberarbeiten für eine dort eher konservativ denkenden Bevölkerung. Es ist die Stilverschleppung, das heißt der um Jahrzehnte den jeweiligen Stilen nachhinkende Geschmack hier des à priori konservativen Katholizismus. Schwitzbecher sind typische Erzeugnisse in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Obwohl der eine der Becher nicht für irgendjemand, sondern für den Souverän eines Staates gearbeitet wurde, kommt er stilistisch um mehr als ein halbes Jahrhundert zu spät.10

Die von den Fuldaer Goldschmieden durch das 18. Jahrhundert geschaffenen Kelche hingegen entstanden alle im für die Zeit verbindlichen Stil in klaren Formen. Ohne besondere Freude am naturalistischen Dekor des Rokoko erkennen zu lassen, unterscheiden sie sich kaum von denen, die in gleicher Zeit für protestantische Gemeinden gearbeitet worden waren, sieht man ab von dem um 1735 für den Fuldaer Dom gearbeiteten Kelch des Petrus Philippus Heim (Abb. 34b).

Die acht Altarleuchter des J. V. Rödel entstanden um 1725 im Régence-Stil (Abb. Nr. 27c). Dagegen ist die Messkännchengarnitur des C.I. Meltzer (Abb. Nr. 29d) in Form und Dekor ganz dem Rokoko verpflichtet.

Die Fuldaer Goldschmiede beherrschen sowohl die exakte Treibarbeit bei der Schaffung der Kelche und die präzise Gravur der Wappen ihrer fürstlichen Auftraggeber (siehe Abb. Nr. 28b, 29a und 34c), als auch ausgefeilte Gusstechniken und gekonnte Edelstein- und Glasflussverarbeitung bei der Ausschmückung der Strahlenmonstranzen.

Diese stellen zweifellos den Höhepunkt ihres Könnens dar. Allen voraus gehen hier die Arbeiten des Johannes Foemel (Nr. 25). Zwar stehen alle seine Monstranzen auf den gleichen Vierpassfüßen, um den hohen schwergewichtigen Schaukränzen sicheren Halt zu geben. Meisterhaft die Gestaltung der Brustbilder der vier Evangelisten mit ihren Symbolen auf dem Fußrücken und der noblen gegossenen Figur der Ecclesia (Abb. Nr. 25a), die auch Träger einer weiteren Monstranz von seiner Hand ist (Abb. Nr. 25c), groß sein Einfallsreichtum bei der Gestaltung der Schaugefäße und des auf ihnen versammelten himmlischen Personals. Nur wenig stehen die Monstranzen des J.V. Rödel denen des Meisters Foemel nach (Abb. Nr. 27e). Christian Ignatz Meltzer gelang in gekonnter Treibarbeit eine äußerst naturalistische Darstellung der fünf Wundmale Christi (Abb. 29c).

Weder aus der zweiten Hälfte des 18. noch aus der ersten des 19. Jahrhunderts ließen sich aus den oben genannten Gründen profane Silberarbeiten aus den Werkstätten der Fuldaer Goldschmiede nachweisen. Darüber hinaus hatte sich wohl die Bevölkerung wirtschaftlich von der Besetzung und Plünderung der Franzosen im Siebenjährigen Krieg der 50er Jahre nicht erholt. Mit dem Ende des Reichsstifts Fulda als Territorialstaat 1803 nach der Säkularisierung begann eine lang andauernde schwere wirtschaftliche Depression. Als Verhandlungsmasse mehreren neu geschaffenen, zum Teil kurzlebigen Ländern zugeschlagen, änderte sich an der Vernachlässigung der nunmehrigen Provinz Fulda wenig, seit sie endgültig ab 1816 Kurhessen zugeschlagen worden war. Was nicht verwunderlich ist, war Fulda doch die einzige katholische Provinz eines Landes, das seit Beginn des 17. Jahrhunderts nach dem Deutsch-reformierten Bekenntnis lebte und durch seine Regenten aktiv jede industrielle Entwicklung behinderte.

In ihrem Beitrag „ganz glatt und einfach“, Sakrales Goldschmiedehandwerk des 19. Jahrhunderts in Fulda, hat Martina Jordan-Ruwe eindringlich dargestellt, welche Konsequenzen das für Fulda bedeutete.11

Doch schon Ende des 18. Jahrhunderts war der letzte Fürstabt Adalbert von Harstall von der nun zu kostspieligen Sitte abgekommen, für die Ausstattung des Doms mit silbernen Gerätschaften fast ausschließlich Augsburger Goldschmiede zu betrauen. Der hoch angesehene Hofgürtler J. M. Niemayer erhielt 1791 seinen einzigen Großauftrag, zwei Pyramidenreliquiare mit Postamenten für den sogenannten Silberaltar des Domes anzufertigen und noch kurz vor der Säkularisation 1801 und 1802 den zu zwei Monstranzen für die Filialkirche St. Bernhard in Soisdorf bzw. für die Pfarrkirche St. Joseph in Großtaft.12 Bei der Erfüllung seines Großauftrags und erst recht bei der Herstellung der ersten Monstranz (Abb. Nr. 37a) konnte Niemayer ohne finanziellen Druck arbeiten bzw. Dank einer großzügigen Stiftung alle seine handwerklichen Fähigkeiten in der künstlerischen Umsetzung einsetzen. Jordan-Ruwe konnte das einleuchtend belegen, weil die ein Jahr später von ihm geschaffene zweite Monstranz zwar von weitem prächtiger wirkte, jedoch infolge einer geringeren Summe, die zur Verfügung stand, weit weniger präzise und detailärmer unter Verwendung unedler Metalle ausfiel.13

Der Silber- und Goldarbeiter Carl Joseph Oswald versuchte immer wieder, vor allem in den Anfangsjahren seiner Schaffenszeit, mit anspruchsvollen Entwürfen den Zuschlag bei der Bestellung von silbernem Kirchengerät zu erhalten. So 1825 mit einem Rauchfass und für das begleitende Weihrauchgefäß gleich mit zwei Varianten für die Pfarrkirche St. Cosmas und Damian in Hattendorf. Gut proportioniert schmückt er sie vorwiegend mit spätklassizistischem Dekor wie Lanzettblättern, Taustäben sowie Weinlaub und Ähren (siehe Abb. 1-3). Doch selbst die einfachere Weihrauchgefäßvariante durfte er nicht arbeiten. Stattdessen liefert er Ende des Jahres ein einfaches Rauchfass mit Schiffchen aus Messing ohne jede Verzierung.14 Dieselbe Ablehnung durch das Bischöfliche Generalvikariat erfahren 1829 auch zwei schöne Entwürfe für einen beantragten Messkelch für Pfarrkirche St. Margaretha in Magretenhaun. Stattdessen solle man einen ganz glatten und einfachen gut vergoldeten nach einem Modell der Domkirche durch einen Fuldaer Goldschmied anfertigen lassen.15

Auch den einzigen bisher von ihm bekannten und von ihm signierten, 1847 an die Kirche St. Sebastian in Kerzell gelieferten Kelch durfte Oswald erst machen, nachdem sein erster Kostenvoranschlag von 80 Gulden abgelehnt und er im zweiten eine deutliche bescheidenere Version zum Preis von über 46 Gulden angeboten hatte. Oswald bat in diesem Zusammenhang um ein Zeugnis, also eine positive Beurteilung seiner auch nicht verwirklichten Entwürfe, damit er in dieser schweren Zeit versuchen könne, auch in anderen Diözesen Aufträge zu erhalten.16 Dieser Kelch in klarem Umrissen auf rundem gestuften Fuß, mit vasenförmigem Nodus und einer kleinen glockenförmige Kuppa mit einer vage auf ihr ausgeführten gravierten Darstellung einer Weinranke mit Blättern und Trauben, scheint eher protestantischer Nüchternheit zu entsprechen als bildfreudiger Sinnlichkeit katholischer vasa sacra (Abb. 42a).

Erstmals nach einem halben Jahrhundert erhielt mit Johann Baptist Fösser 1853 wieder ein Fuldaer Goldschmied den Auftrag zu einer Arbeit für den Silberaltar des Doms. Im Vorjahr zur Elfhundertjahrfeier des Martyriums des hl. Bonifatius ließ das Domkapitel ein Reliquiar für die Schädelreliquie des „Apostels der Deutschen“ von ihm anfertigen. Der nach dem Vorbild des Schreins für die Hauptreliquie des hl. Sturmius von dem Augsburger Goldschmied Stippeldey geschaffene neue Holzschrein wird von Fösser mit vergoldeten Kupferplatten und Silberverzierungen unter Verwendung älterer Silberappliken aus Dombeständen verkleidet. Im Anschluss daran erhielt Fösser 1855 auch den Auftrag für zwei kleinere Monstranzen.17

Um einen gewissen Ersatz zu schaffen für den Verlust von großen Teilen seines umfangreichen Kirchenschatzes, eine Stiftung des Propstes Kunrad von Mengeren (1715-1753), der von den Franzosen auf dem Rückzug nach der Völkerschlacht von Leipzig geraubt worden war, erhielt der Meister 1873 die Gelegenheit, für die ehemalige Propsteikirche St. Johannes einen aufwendigen Kelch zum Preis von 200 fl. zu arbeiten.18 In beachtlicher handwerklicher Qualität entstand der silbervergoldete Kelch in Form und Dekor nach barocken Vorbildern. Erst aus der Nähe ist er als Erzeugnis des Historismus erkennbar (Abb. 45a).

Auch der Kelch des Goldschmieds Ludovicus Josephus Erb, gestiftet 1838 in den Fuldaer Dom, ist ein Erzeugnis in diesem Stil. Er jedoch ist durch seinen napfförmigen Fuß und die Verwendung von Godronen an prominenter Stelle in Kombination mit dem Einsatz barocker Dekorelemente durchaus ein Werk im Sinne eines eigenen Entwurfs (Abb. 43d).

Von ihm und von Fösser haben sich zwei Sätze von sechs Dessertlöffeln bzw. zwei Vorlegelöffel, alle vergoldet, aus kirchlichem Besitz erhalten, die ihr Meisterzeichen und das Feingehaltszeichen 13 tragen (Abb. 43e bzw. 45b). Sie und die Kaffee- und Teelöffel des J. Fr. E. Jaeneke (Abb. Nr. 49a, b) sind bisher die einzigen Silberarbeiten, die zum profanen Gebrauch im 19. Jahrhundert aus Fuldaer Werkstätten nachgewiesen werden konnten.

Bleibt der Mangel an profanen Silberarbeiten im 18. Jahrhundert schon schwer verständlich, ist er es umso mehr im 19. Jahrhundert, trotz aller dafür oben vorgebrachten und erörterten Gründe. Letztendlich kann es deswegen und weil sie in allen ihren kirchlichen Arbeiten immer an zu enge Vorgaben gebunden waren, keine abschließende Würdigung der Kunst der Fuldaer Goldschmiede geben, sieht man ab von dem weit überdurchschnittlichen Können des Goldschmieds Johannes Foemel (Nr. 26). An ihrem handwerklichen Können jedoch besteht kein Zweifel.

 

Annex Hammelburg

Die Fuldische Zugehörigkeit Hammelburgs wird durch das gemeinsame Wappen besonders deutlich. Und so stempelten die Goldschmiede der Stadt im 18. Jahrhundert gleich denen ihrer Fuldaer Kollegen mit dem geteilten Wappen: lateinisches Kreuz auf der einen, drei Nelken auf der anderen Seite ihres Beschauzeichens. Das führte dadurch auch zu Verwechselungen, da zu gleicher Zeit der wohl bedeutendste Hammelburger Goldschmied F. J. Hornung (Nr. 1) sein Meisterzeichen FH mit den gleichen Buchstaben führte wie der zu gleicher Zeit arbeitende Fuldaer Goldschmied J. F. A. Heim (Nr. 28), freilich mit verschieden gestalteten Umrisss.

Eine Würdigung der Fähigkeiten der Hammelburger Goldschmiede lässt die geringe Zahl der bisher erhaltenen Werke nicht zu.

 

 

Anmerkungen:

1. Einleitende Worte, Wappen und Stadtabbildung aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Fulda und https://de.wikipedia.org/wiki/Fulda.

2. Zwischen 791 und 819 wurde die Ratgarbasilika (benannt nach dem Abt Ratgar) als doppelchörige Anlage mit Westquerhaus nach römischem Vorbild (Romano more) erbaut, zu dieser Zeit einer der größten und innovativsten Kirchenbauten nördlich der Alpen.

3. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt_Fulda.

4. Dieter Galm: Vortrag über Adolf von Dalberg vor dem Geschichtskreis, Adolf von Dalberg - Fürstabt in Fulda von 1726 bis 1737.

5. Einleitende Worte u. Wappen von Hammelburg aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Hammelburg.

6. Philipp Hopf, Nr. 5, Ratsherr, Sebastian Ort, Nr. 6, Bürgermeister, Joannes Adam Heim, Nr. 26, Stadthauptmann, Joannes Franciscus Adolphus Heim, Nr. 28, Dominus Subsenator, Petrus Philippus Heim, Nr. 34, Senator und Johann Matthäus Niemayer, Nr. 37, Senator, Stadtkämmerer.

7. 1885: 12 226 Einwohner inclusive der Garnison (https://de.wikipedia.org/wiki/Fulda).

8. Besitz Von der Au Museum Inv. Nr. IV K 24 bzw. Inv. Nr. IV K 23.- Nur das Bürgermeisterzepter der Stadt (Von der Au Museum, Inv. Nr. IV E 1) ist 1741 mit einiger Sicherheit von einem einheimischen Goldschmied gearbeitet worden (siehe nebenstehende Abb.).

9. folgt.

10. Der um 1710/20 enstandene Schlangenhautbecher des Augsburger Goldschmieds Johann I. Seutter für Fürstabt Adolf v. Dalberg wird im Von der Au Museum, Fulda bewahrt (Inv. Nr. IV K 119).

11. Martina Jordan-Ruwe, „ganz glatt und einfach“, Sakrales Goldschmiedehandwerk des 19. Jahrhunderts in Fulda, S. 400-407, in: das Münster, Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 69. Jg., 2016, Sonderheft Bistum Fulda, Schnell und Steiner, 2016.

12. Siehe ausführlich S. 400f., Abb. 1 u. 2, in: Jordan-Ruwe, „ganz glatt und einfach“.

13. a. g. O., S. 401f., Abb. 4 u. 5.

14. a. g. O., S. 403f., Abb. 6-8.

15. a. g. O., S. 403f., Abb. 9, 10.

16. a. g. O., S. 403-05, Abb. 11.

17. a. g. O., S. 400 u. 404, Abb. 1.

18. a. g. O., S. 404f., Abb. 12.

 

Die Goldschmiede von Fulda mit Annex Hammelburg - Lebensdaten und Werke
BZ und Tabelle mit den vollständigen Lebensdaten der Fuldaer und Hammelburger Goldschmiede, einschließlich der Abbildung ihrer bekannten Werke.
Tabelle Fulda mit Annex Hammelburg u. Li[...]
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© Dr. Dr. Reiner Neuhaus