Der aus Bayern stammende und durch Wigbert, den Abt Fritzlars ausgebildete Mönch Sturmius lebte zwischen 736 und 743 auf einer nach seinem Besitzer Haerulf benannte verlassene Siedlung Haerulfisfelt. Er erbaute dort eine erste Kirche. Auf Anweisung von Bonifatius zog er weiter in die Nähe der Sachsengrenze und gründete 745 das Kloster Fulda.
Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen im Jahre 772 gründete Lullus, Nachfolger des Bonifatius auf dem Mainzer Bischofsstuhl, zwischen 769 und 773 ein Benediktinerkloster in Hersfeld, das Karl unter seinen Schutz stellte. Nun Reichsabtei erhielt sie außergewöhnliche Vorrechte und wurde vor allem durch Schenkungen Karls ein „reicher und machtvoller Faktor im östlichen Hessen und im westlichen Thüringen“. Die Abtei unterstand in weltlicher Hinsicht dem König, in geistlicher direkt dem Papst. Als Lullus 780 die Gebeine des nun heiliggesprochenen Wigbert nach Hersfeld hatte überführen lassen, wurde das Kloster Wallfahrtsort. Der 786 verstorbene Lullus wurde zunächst in der Klosterkirche beerdigt, dann aber erfolgte 852 die Überführung seiner Gebeine in die neu erbaute Basilika des Klosters.1
Erste Erwähnungen Hersfelds als Marktort und Stadt sind seit 1142 und 1170 gesichert, einer Zeit also, in der die Abtei ihre größte reichspolitische Bedeutung hatte. Die Entwicklung des Ortes wurde begünstigt als Kreuzungspunkt einiger wichtiger Fernstraßen, die hier über Brücken die Fulda und Haune überquerten. Da Kloster und Stadt von 1249-1252 von Gegenkönig Wilhelm von Holland als Reichsstadt anerkannt worden war, hatte das einen immer größeren Machtverlust zur Folge, weil sich nach Ende des Interregnums die Abtei nicht mehr auf die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stützen konnte.2
Schon ab 1230 begann sich die Stadt zu erweitern. Sie zu schützen musste eine neue Stadtmauer mit vier großen Toren gebaut werden, zu deren Fertigstellung sie fast ein Jahrhundert benötigte. Ab 1323 verstärkten sich die Bemühungen der Stadt von der Abtei unabhängiger zu werden. In dem 1373 geschlossenen und 1414 bzw. 1430 erneuerten Bündnis zwischen Stadt und den Landgrafen von Hessen, verpflichteten sich letztere, der Stadt in Fehden beizustehen. Als im Jahre 1378 die Hersfelder selbst einen Schultheiß wählen wollten, womit die Abtei die direkte Kontrolle über die Stadt verloren hätte, überfiel der mit einigen Rittern verbündete amtierende Abt in der Vitalisnacht die Stadt. Doch vorgewarnt konnten die Bürger den Angriff zurückschlagen. Daran hatten hauptsächlich die Armbrustschützen der Mitte des 13. Jahrhunderts gegründeten Schützengilde der Stadt entscheidenden Anteil.3
Die nun folgenden Streitigkeiten zwischen Stadt und Landgraf auf der einen und der Abtei auf der anderen Seite fielen in den allermeisten Fällen zum Nachteil letzterer aus. Die Abtei verlor immer mehr Einfluss und Besitz. Schließlich schloss 1432 der Abt mit Landgraf Hermann einen Erbschutzvertrag, erneuert 1458 und 1490. Seitdem galt das Fürstentum Hersfeld als zu Hessen gehörig.
Zwischen 1520 und 1524 wurde nach einigem hin und her die Reformation in Hersfeld durchgeführt. Ihre Bürger gingen 1525 in den Bauernkriegen zu den Aufständischen über und stürmten den Stiftsbezirk. Ihre Revolte wurde rasch von Landgraf Philipp niedergeschlagen. 1608/09 ließ Landgraf Moritz auch in Hersfeld das lutherische durch das deutsch-reformierte Bekenntnis ersetzen. Immer wieder dezimierten seit Mitte des 14. Jahrhunderts schreckliche Pestepidemien die Einwohnerzahlen der Stadt.
Während des Dreißigjährigen Krieges wählte der kaiserliche Feldherr Graf Tilly von 1623 bis 1625 Hersfeld zu seinem Hauptquartier und ließ die Gegenreformation einleiten. 1631 eroberte Landgraf Wilhelm V. Hersfeld zurück. Rechtssicherheit erhielten die Landgrafen erst 1648 im Frieden von Münster und Osnabrück, als das Herrschaftsgebiet der Abtei zu einem weltlichen Fürstentum umgewandelt durch Kaiser Ferdinand III. von Habsburg dem Haus Hessen-Cassel zugesprochen worden war.4
Im Siebenjährigen Krieg besetzten französische Truppen Hersfeld. Als 1761 mit Preußen verbündete braunschweigische Truppen schnell gegen die Stadt vorrückten, mussten sich die Franzosen zurückziehen. Da sie nicht die Zeit hatten, die in den Klostergebäuden und der Stiftskirche gelagerten Vorrats- und Verpflegungslager mitnehmen zu können, ließ sie der Kommandant anzünden. Die Abteigebäude, bis auf einen kleinen Rest, und die Stiftskirche brannten ab. Durch Mehlstaubexplosionen stürzte das Dach der Kirche ein.
Auch im Vierten Koalitionskrieg war Hersfeld seit Dezember 1806 von französischen Truppen zunächst italienischer Abstammung besetzt. Es kam zu einem Aufruhr der Bürger gegen die einquartierten Soldaten. Um Gnade bittend musste die Stadt zunächst die Einquartierungskosten übernehmen und erhebliche Sachleistungen zahlen.5 Trotzdem befahl Napoleon die Stadt zu plündern und an allen vier Ecken anzuzünden. Der Befehl dazu ging an den badischen Oberstleutnant Johann Baptist Lingg. Im Februar 1807 führte er mit stillschweigender Billigung seiner französischen Vorgesetzten den Befehl „wörtlich“ aus und ließ lediglich vier freistehende Gebäude an den Ecken der Stadt anzünden.6 Von 1807 bis 1813, in der Zeit des Königreichs Westphalen, gehörte die Stadt zum Departement Werra, dort lag auch der Verwaltungssitz des Distrikts Hersfeld und des Kantons Hersfeld.
In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts wuchs Hersfeld schnell über seine Stadtmauern hinaus. Flamen hatten seinerzeit während des Interregnums die nun aufblühende Tuchmacherei im 12. Jahrhundert begründet. Im Zuge der industriellen Entwicklung bekam Hersfelds Tuchindustrie weit überregionale Bedeutung, die sie bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts behielt. Durch Verlängerung der Bahnstrecke Bebra-Fulda von Bebra bis Hersfeld erhielt die Stadt 1866 Bahnanschluss. Die ab Dezember 1868 bis Frankfurt a. M. durchgängige Strecke bedeutete zugleich das Ende der Fuldaschiffahrt.7
Bei der Betrachtung der Lebensdaten der 23 für Hersfeld bekannten Goldschmiede fällt sogleich ins Auge, dass viele von ihnen nicht in Hersfeld geboren und dort bis zu ihrem Lebensende blieben. Vielmehr gingen einige entweder wieder in ihre Herkunftsorte zurück oder zogen weiter. Bei zehn von ihnen war das Todesdatum aus den Kirchenbüchern nicht sicher zu eruieren. Die Gründe für diesen Befund und auch die Tatsache, dass sich im Gegensatz zu den meisten kleinen Städten Hessens bis auf eine Ausnahme, die Goldschmiedesippe Schön, keine Goldschmiededynastien herausbildeten, sind unschwer aus der Geschichte Hersfelds abzuleiten. Nicht nur die Besetzung, Plünderung und Brandschatzung im Dreißig- und Siebenjährigen Krieg bzw. im Vierten Koalitionskrieg dezimierten Einwohnerzahl und deren Besitz. Mit dem Ende der Reichsabtei und die Umwandlung in ein weltliches Fürstentum nach 1648 war wohl der wichtigste Auftraggeber innerhalb der Stadt weggefallen. Das Fehlen wirtschaftlicher Sicherheit und Kontinuität veranlasste sicher auch neben denen, deren Wegzug bekannt ist, auch eine Reihe weiterer Goldschmiede, deren Todesdatum nicht feststellbar war, ihre Werkstatt in Hersfeld aufzugeben.
An erster Stelle in der Beurteilung steht die bis zu diesem Zeitpunkt bedeutendste Arbeit, das von dem Hersfelder Goldschmied CIRIACVS SCH[Ö]N geschaffene Hauptschild der Hersfelder Schützengilde von 1571 (siehe nebenstehende Abb.).8 In diesem Jahr musste wohl das vielleicht schadhafte oder unmodern gewordene alte durch ein neues Schild ersetzt werden. Auf einem Podest steht in der Mitte des kreisrunden Schildes der an einen als Gabelkreuz gestalteten Baumstumpf gefesselte, von vier Pfeilen durchbohrte Hl. Sebastian, „der“ klassische Schutzpatron der Schützen. Abweichend vom Canon der sonst üblichen Darstellung hat er einen Bart und trägt eine turbanartige Kopfbedeckung. Flankierend stehen auf wesentlich kleineren Podesten zwei Armbrustschützen in der Rüstung der Zeit. Vor allem die gegossene Figur des Heiligen ist bei genauer Kenntnis der Anatomie des männlichen Körpers und seiner Proportionen ein gelungenes Zeugnis der Kunst der Renaissance.9
Abgesehen davon und von wenigen Stücken Bestecksilbers, blieben bisher nur Abendmahlsgeräte zur Beurteilung erhalten. Mit nur einem erhaltenen Kelch und Brotteller etwa ist natürlich die Fähigkeit eines Goldschmieds nicht beurteilbar. Immerhin ist der Kelch des Andreas Jung(k)mann (Nr. 6) in seinen gelungenen Proportionen und zur Anwendung gebrachten Techniken durchaus beachtlich. Cornelius Schön (Nr. 10), vor allem aber sein Sohn Johann Henrich (Nr. 13) waren beauftragt, in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und letzterer auch im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts die Verluste im Dreißigjährigen Krieg in den Gemeinden Hersfelds und seiner Umgebung langsam wieder auszugleichen. Die von Johann Henrich Schön sehr an Kasseler Arbeiten orientierten Kelche und Brotteller sind schwergewichtig, gut proportioniert, gekonnt getrieben und graviert. Den erhaltenen Arbeiten nach dürften er und Johann Daniel Jähner (Nr. 15) wohl als die tüchtigsten Goldschmiede Hersfelds gelten. Letzterer deswegen, weil er den Schäften und ihren Nodi seiner Kelche eine eigene Form mit hohem Wiedererkennungswert gab.
Nur Johannes Keulmann (Nr. 23) profitierte von der aufblühenden Textilindustrie Hersfelds in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der damit verbundenen raschen Zunahme der Bevölkerung auch in der Umgebung der Stadt. Sämtliche Kelche aus seiner Werkstatt sind so getreu wie möglich als Kopien vorbestehender Kelche des 16. bis 18. Jahrhunderts in den Gemeinden angefertigt worden. Noch einmal kommt auch hier die im protestantischen Selbstverständnis Hessens pragmatische Nüchternheit und die Ehrfurcht vor dem Überlieferten im dabei typischen Vorgehen bei der Herstellung neuer Abendmahlsgeräte zum Tragen. Wie schon an anderer Stelle ausführlich erörtert,10 durfte der Goldschmied neue Kelche oder Kannen nicht etwa nach der gerade herrschenden Mode anfertigen. Stattdessen hatte er, wenn in Gebrauch befindliche Geräte selbst aus vorreformatorischer Zeit (siehe Nr. 23h1) in der Gemeinde vorhanden waren, die neuen so genau wie möglich diesen zu- und nachzuarbeiten. So kann Keulmann handwerkliche Tüchtigkeit sehr wohl bescheinigt werden, seine künstlerischen Fähigkeiten sind hingegen nicht beurteilbar.
Anmerkungen
1. Das gab den Anlass für das bis heute jährlich gefeierte Lullusfest.
2. Die zu dieser Zeit einwandernden Flamen brachten die Techniken der Tuchbereitung und –färberei mit. Schon ein Jahrhundert später hatten die Tuchweber die stärkste Zunft in Hersfeld. Sie schufen die Grundlage für das blühende Textilgewerbe im 18. und 19. Jahrhundert (siehe später).
3. Denn sie konnten den Hauptangreifer, den Ritter Eberhard von Engern, der sich zuvor gebrüstet hatte, nach neun erfolgreich eroberten Städten auch mit Hersfeld kurzen Prozess zu machen, mit einem Pfeil durch seinen eisernen Helm von der Stadtmauer schießen (https://www.sg-hersfeld.de/verein/historisches/).
4. Denn Wilhelm V. hatte 1635 dem sogenannten „Prager Frieden“ abgelehnt, worauf der Kaiser die Reichsacht über ihn verhängte und ihm den Besitz von Hersfeld bestritten hatte.
5. Unter anderem 5000 Paar Schuhe, 1000 Soldatenmäntel und 5000 Taler.
6. Zum Retter der Stadt geworden, ehrten ihn später die Kurfürsten Wilhelm I. und II. mit dem Großkreuz des Hessischen Löwen. Geadelt führte er später den Namen Lingg von Linggenfeld.
7. Die kurze Darstellung der Geschichte Hersfelds ist aus den beiden folgenden Quellen geschöpft: https://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Hersfeld bzw. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt_Bad_Hersfeld.
8. Im Museum der Stadt Bad Hersfeld, Inv. Nr.: Q 88/1271 bzw. 6.212.33. Die Kirchenbücher Hersfelds beginnen erst mit dem Jahr 1611.
9. Die beiden Hauptschilde des Hersfelder Schützenvereins von 1884 und der Hersfelder Schützengesellschaft, um 1905, samt ihren Ketten und den daran angebrachten kleinen Widmungsschilden, nach dem 2. Weltkrieg vereint als Hersfelder Schützengilde 1252 e.V., tragen leider zur Erweiterung des Wissens über die Goldschmiede der Stadt nichts bei. Beide Schilde und Ketten sind Produkte der Silberwarenindustrie. Da man in langer Tradition in Hersfeld jährlich ein Schützenkönig ermittelt, werden die kleinen vorgefertigten Leerschilde dann nur mit dem Namen des jeweils regierenden Königs graviert.
10. Neuhaus, Patronatssilber, S. 40 und dort Anmerkung 2 sowie S. 76/77.