Bei seiner ersten urkundlichen Erwähnung 1234 besitzt Mengeringhausen bereits Stadtrechte. Der Ort gehörte 1270 den Waldecker Grafen, sie waren auch im Besitz der Wasserburg. Zwar ist 1316 neben der Altstadt eine Neustadt entstanden, aber erst um 1500 vereinigten sich die beiden Orte. Nach einem Großbrand, der auch Rathaus und Kirche vernichtete, muss nach 1347 die Stadt komplett neu errichtet werden.

Als Raubritter Rabe von Canstein 1500 Mengeringhausen überfallen, geplündert und teilweise niedergebrannt hatte, umgab sie sich seitdem mit einer Stadtmauer mit Wehrtürmen und verteidigte sich fortan mit der Schützenbruderschaft St. Sebastianus. In den Jahren 1689-1728 ist Mengeringhausen Sitz der ersten Waldecker Landkanzlei, die Burg Sitz der Waldeckischen Regierung. Die ihr in diesen Jahren zugewachsene Bedeutung geht jedoch verloren, als Arolsen Residenz des Fürstentums geworden war. Die Behörden und Beamtenfamilien zogen allmählich in die neue Hauptstadt. Ackerbürger und Handwerker bestimmten von nun an die Sozialstruktur der Stadt.

Seit 1974 ist die Stadt Mengeringhausen im Zuge der hessischen Gebietsreform ein Stadtteil von Bad Arolsen.1

 

Über sechs Generationen, vom ersten Drittel des 17. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde die ja immer kleine Stadt, was die Bearbeitung der Edelmetalle Gold und Silber angeht, beherrscht von der Goldschmiededynastie Esau. Der nur wenige Jahre hauptsächlich als Juwelier tätige Johann Caspar Roth(e) (Nr. 6) wurde bereits 1726 Korbacher Bürger. Warum sich der aus Wilster stammende Gründer Bartholomäus I. Esau um 1630 ausgerechnet in Mengeringhausen niederließ, kann nur vermutet werden. Vielleicht erschien ihm die Nähe zu den Sitzen der Waldecker Grafen in Rhoden, Arolsen und Mengeringhausen attraktiv. Sämtliche „Silber- und Goldarbeiter“ dieses Geschlechts waren – soweit von ihnen Arbeiten existieren – offensichtlich überdurchschnittlich begabt. Eine erste, für diese Arbeit sehr wichtige Würdigung dieser Goldschmiededynastie erschien 1961 von dem Rektor i. R. Wilhelm Emde2 Sie ist deshalb so wichtig und aus ihr wird im Weiteren noch reichlich zitiert werden, weil dem Autor der Nachlass des am 30. Mai 1855 verstorbenen letzten Mengeringhäuser Goldschmieds Friedrich Ludwig Esau (Nr. 10) zur Verfügung stand. Ihn hatte bis dahin über drei Generationen der letzte Namensträger des Mengeringhäuser Zweigs der Esau bewahrt.3

Von Bartholomäus I. Esau (Nr. 1) haben sich bis heute keine Arbeiten nachweisen lassen, von seinem Sohn Bartholomäus II. (Nr. 2) zwar Kelch und Oblatendose (Nr. 2a, b) in der Gemeinde von Twiste, die  leider 1945 aus dem Schlossmuseum Bad Arolsen abhanden kamen.4 Urkundlich hat er als Graveur – erwähnt 1670 – auch hessische Münzstempel angefertigt.5 Erhalten blieb auch sein Ringsiegel (siehe nebenstehende Abb. li.).6

 

Der Goldschmied Friedrich (Fritz) I. Esau (1633-1718)

Der zweite Sohn des Bartholomäus I. Esau ist zweifellos der beste und vielseitigste Goldschmied des Waldecker Landes. Von seinen vielen Begabungen sollen hier nur die als Goldschmied, Medailleur und Münzstempelschneider vorgestellt werden. Aufgrund seiner Vielseitigkeit erregte er wohl schnell die Aufmerksamkeit von Georg Friedrich, Graf und später erster Fürst von Waldeck (1664-1692). Es fügte sich also, dass bald der beste Goldschmied Waldecks vom bedeutendsten Regenten des Landes zahlreiche Aufträge erhielt. Von den für die Hofhaltung bestimmten Arbeiten blieb nichts erhalten, sie wurden zu Münzzwecken und ähnlichem eingeschmolzen. Dafür ist aber umso erfreulicher, was er als Hofgoldschmied zur Stärkung und (Neu-)Gründung von Waldecker Schützengilden mit von ihm gefertigten Hauptschilden beigetragen hat. Es sind dies das Hauptschild der Schützenkette von Schmillinghausen mit Georg Friedrich in Prunkrüstung hoch zu Roß (Nr. 3b), entstanden um 1670, das 1671 von seinem zwölfjährigen Sohn Carl Gustav gestiftete Hauptschild mit der Göttin Fortuna auf der Weltkugel für die Adorfer Schützengesellschaft (Nr. 3d) sowie das Hauptschild von Rhoden mit der Marter des Hl. Sebastian (Nr. 3c), das die Schützengesellschaft des Ortes 1670 in Auftrag gegeben hatte. Georg Fritz I. Esau stieg schnell in der Gunst seines Herrn. Fürst Friedrich Georg stand Pate bei bei Esaus zweitjüngstem, 1680 geborenen Sohn Georg Friedrich II. Darüber hinaus beauftragte er seinen Hofgoldschmied mit dem Entwurf seines großen Epitaphs.7

Esau arbeitete auch 1682 das Hauptschild der Helser Schützenkette mit dem gräflichen Wappen einschließlich der Graf- und Herrschaften, die eigentlich nach 1680 nicht mehr im Besitz des Hauses waren (Nr. 3e) und schließlich ein Schild, das der Adorfer Schützenkönig Johann Pohlmann, Mitinhaber der Kappensteiner Hütte, 1692 bei ihm bestellt hatte (Nr. 3a).8

Die  Reichhaltigkeit der getriebenen und ziselierten Motive, ihre sichere Einordnung im Zentrum der Schilde, sowie die variationsreiche vegetabile Umrahmung der Motive sind Höhepunkte barocker deutscher Goldschmiedekunst.

Nach dem Tod des Fürsten Georg Friedrich im Jahre 1692 arbeitete Georg Fritz I. Esau zusehends außerhalb von Waldeck, da dessen Nachfolger, Fürst Christian Ludwig von Waldeck und Pyrmont, seine Arbeiten offensichtlich nicht zu schätzen wusste und auf seine Dienste verzichtete. Zwar taucht er noch 1685 als Graveur und Stempelschneider in den Hessisch Casselschen Münzrechnungen auf9 und schneidet 1693 die Stempel für die Waldeckischen Kupfernominale der Paderborner Münzstätte in Neuhaus,10 doch sein Arbeitsschwerpunkt als Medailleur und Kupferstecher wurde bis zu seinem Tod die Stadt Minden im preußischen Fürstentum gleichen Namens. Gleich nach dem Tod seines Vaters Bartholomäus I. im Jahre 1701 fertigte Georg Fritz I. das für die Mitglieder der Sippe von nun an verbindliche Wappen an (siehe Abb. oben re.).11

Seine hervorragende Meisterschaft als Medailleur beweist er 1694 und 95 mit den zwei Medaillen auf die Stadt Minden, die wohl als Geschenke für ihren Souverän, den späteren preußischen Kurfürsten Friedrich III. und seit 1701 König in Preußen, gedacht waren (Nr. 3f u. g). 2½ Jahre vor seinem Tod beauftragte ihn am 24. Dezember 1715 das Domkapitel Osnabrücks, den Stempel für die geplante Prägung von 1500 Sedisvakanztalern zu schneiden, auch auf diesem Feld Beweis seiner Meisterschaft als Stempelschneider (Nr. 3i).

Abgesehen von seinen Signaturen auf den Medaillen Mindens hatte Georg Fritz I. Esau offenbar nie einen Grund gesehen, seine Werke mit seinem Meisterzeichen zu versehen. Nun war sein Sohn Georg Fritz II. inzwischen selbst Meister geworden. Offensichtlich hatte es bei der Herstellung von Abendmahlsgeräten wohl immer schon den Willen der kirchlichen Auftraggeber gegeben, die von ihnen bestellten Geräte mit dem Meisterzeichen der Hersteller zur Kontrolle stempeln zu lassen. Um sich von seinem Sohn abzugrenzen, benutzte Georg Friedrich I. zur Kennzeichnung eines ansonsten banalen Brottellers , den er zwischen 1705 und 1715 für eine kleine Gemeinde Waldecks gearbeitet hatte, sein MZ kombiniert mit dem hier von der Regel abweichenden BZ, halber Waldecker Stern unter seinen Initialen, und fügte zusätzlich im Rund eine Eins hinzu (Nr. 3h). Sein Sohn konnte nun den von ihm gefertigten Kelch ebenfalls mit dem Meisterzeichen GFE zeichnen. Das BZ, halber Waldecker Stern, kombinierte er nicht mit ihm, sondern schuf dafür einen separaten Stempel.

Auch vom Mengeringhäuser Goldschmied in dritter Generation, Johan He(i)nrich Esau, wissen wir wieder nur über Archivalien aus der schon oben ausführlich zitierten Quelle, dass er für das Kleinod von Twiste die Schilde der Schützenkönige von 1744 (Nr. 7a), 1748 (Nr. 7b) und 1767 (Nr. 7d) geschaffen hat, denn sie alle weisen keine Marken auf.12 Alle drei, vor allem aber das des Tabakspinners Benicke (Nr. 7a), stechen mit ihren gelungenen Gravierungen die Schilde aus anderen Werkstätten Waldecker Goldschmiede deutlich aus. Obwohl bisher nur ein Stück Tafelsilber, die Saucière aus der Zeit um 1760, von ihm bekannt ist (Nr. 7c), genügt das vollauf zur Beurteilung, dass Johan He(i)nrich Esau auch die Fertigkeiten des Treibens, Ziselierens und Gießens exzellent beherrscht haben muss.

Erst mit seinem Sohn Christian Philipp (Nr. 8) wurden offensichtlich alle hergestellten silbernen Gegenstände mit dem kombinierten BZ und MZ versehen. Die Schilde, die er für die Schützenketten seiner Heimatstadt und für die Schützengesellschaften von Twiste und Brausen hergestellt hat, zeigen eine gute Qualität, wenn sie auch nicht an die seines Vaters heranreicht. Dabei gab er den Schilden eine einheitliche Form, die er von Schild zu Schild jeweils im Umriss zu variieren wusste. Selbst das von ihm gearbeitete Schild von 1818 (Nr. 8i), das ihn als Schützenkönig von Mengeringhausen ausweist, gestaltete er nicht besonders aufwendig, wie zu erwarten wäre, sondern ordnet es dem Gesamteindruck der Kette unter.13 Neben Löffeln aus seiner Werkstatt blieb ein Leuchter (Nr. 8b) in Privatbesitz erhalten.14

Der zweite Sohn J. H. Esaus, Friedrich Andreas Elias (Nr. 9), starb jung mit 28 Jahren wohl an Lungentuberkulose. Mit dem Sohn Christian Philipps, Fri(e)derich Ludwig Esau (Nr. 10), endete in Mengeringhausen mit der sechsten Generation das Goldschmiedehandwerk, das über 225 Jahre allein von einer Familie zu hoher, zum Teil überragender Qualität gebracht worden war. Keiner der Mengeringhäuser Goldschmiede nach Georg Fritz I. Esau konnte auch nur annähernd allein von seinem erlernten Beruf leben. Mit der Herstellung von Schmuckstücken, Uhrketten, Konfektschalen, Schnallen und Ehrenpokalen – so die Archivalien – war beispielsweise der letzte Goldschmied befasst.14 Kein Wunder, dass abgesehen vom früh verstorbenen Friedrich Andreas Elias, die Goldschmiede Johan He(i)nrich, Christian Philipp und Fri(e)derich Ludwig Esau statt ihrer Hände ihren Kopf als Bürgermeister ihrer Stadt zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts eingesetzt haben.

 

Anmerkungen

1. https://de.wikipedia.org/wiki/Mengeringhausen. - Stich von Mengeringhausen: Von Merian, Matthäus - Scan eines Original Buchs durch http://www.digitalis.uni-koeln.de/Merianh/merianh_index.html, Gemeinfrei.

2. Leider ohne genaue Literaturangaben: Emde, Wilhelm, 1961.

3. Teile des Nachlasses und der Werkstatt dieses letzten Goldschmieds befinden sich im Museum Mengeringhausen, Hintere Straße 9, sowie in Privatbesitz Herrn W. K. in Mengeringhausen.

4. Nach Johann Philipp Wüsten, in: Emde, Wilhelm, 1961, S. 1 u. 2 seines Beitrags.- Nach mündlichen Angaben des Pfarrers von Twiste.

5. Scheffler, Hessen, Mengeringhausen, 2.

6. Nicolai, Waldeckische Wappen, S. 33, Nr. 105, Esau II.

7. Ausgeführt wurde er von dem Bildhauer Heinrich Papen in der Nicolei-Kirche zu Korbach (Emde, Wilhelm, 1961, S. 2 seines Beitrags).- Scheffler, Hessen, Mengeringhausen, 3, hier nach Dehio-Gall., Nördl. Hessen 1960, S. 56). 1680 hatte er bereits den Altar für die Kirche von Mengeringhausen entworfen, die Ausführung übernahm auch hier Bildhauer Papen aus Giershagen.

8. Kramm 1937, S. 66.- 500 Jahre Adorfer Schützenwesen, S. 105. Hinzu kommen die Bestellung des Hauptschildes für die Landauer Schützengesellschaft mit der Darstellung eines Schießstandes 1702 (Kramm 1937, S. 66) und wohl drei weitere Schilde für das Adorfer Kleinod. Nicht aufgrund von Archivalien, sondern durch Stil und Qualität der Treibarbeit sind letztere mit Sicherheit ebenfalls Werke des Georg Fritz I. Esau (300 Jahre Adorfer Schützenwesen, S. 105-107).

9. H-P S 28, in: Scheffler, Hessen, Mengeringhausen, 3.

10. Wie Anm. 9.

11. Nicolai, Waldeckische Wappen, S. 33, Nr. 106, Esau I.- Emde, Wilhelm, 1961, S. 2 seines Beitrags.

12. Emde, Wilhelm, 1961, S. 2 seines Beitrags.

13. Kramm, Wald. Schützenketten, S. 12, Nr. 12 und S. 15.

14. Wie Anm. 12.

 

 

Beschauzeichen von Mengeringhausen
 

 

Die Goldschmiede von Mengeringhausen - Lebensdaten und Werke
Tabelle mit den vollständigen Lebensdaten aller Mengeringhauser Goldschmiede, einschließlich der Abbildung ihrer bekannten Werke.
Tabelle Mengeringhausen mit Lit.-Verzeic[...]
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