Nach einigen Besitzerwechseln wird Darmstadt am 21. Juni 1013 schließlich Lehen des Bistums Würzburg und blieb es bis zum Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803. Nachdem Mitte des 13. Jahrhunderts die Grafen von Katzenelnbogen bei Darmstadt eine Wasserburg errichtet hatten, siedelten sich südlich von ihr zu ihrem Schutz Ritter an, lebte östlich die bäuerliche Bevölkerung. 1330 verlieh Kaiser Ludwig der Bayer Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen – ausschließlich persönlich – die Stadtrechte für Darmstadt. Mit dem damit verbundenen Marktrecht wuchs die Bedeutung der bis dahin kleinen Siedlung, denn die gesamte Wirtschaft der Region richtete sich nun auf den Darmstädter Markt aus, während die Stadt selbst sich an den deutlich älteren Städten Frankfurt a. M., Worms und Speyer orientierte. Die günstige Lage an der Bergstraße und der Schutz durch die Wasserburg sicherten den einsetzenden Aufschwung zur Zeit der Grafen von Katzenelnbogen.

Es dauerte rund 100 Jahre, bis der innere und äußere Ring der Stadtmauer fertiggestellt war, in dessen Areal durch Bevölkerungszuwachs die beiden ursprünglich getrennten Siedlungskerne zusammenwuchsen. Die Stadt verwaltete sich selbst durch ein vierzehnköpfiges Schöffengericht unter Vorsitz eines Schultheiß. Da die Verwaltung fest in der Hand weniger Familien blieb und somit vererbt wurde, waren Spannungen unvermeidbar. Sie konnten schließlich dadurch abgemildert werden, dass der Verwaltung vier aus der Bürgerschaft gewählte Vertreter nach 1457 zugesellt wurden.

Nach und nach stieg Darmstadt zur Nebenresidenz auf, nachdem die Grafen von Katzenelnbogen bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts die Burg zu einem repräsentativen Schloss umgebaut hatten. Als 1479 ihr Geschlecht ausstarb, fiel Darmstadt an Heinrich III. von Hessen. Eine lang anhaltende Stagnation war die Folge, statt Nebenresidenz jetzt nur noch eine weit vom Machtzentrum Kassel entfernte Siedlung. Landgraf Wilhelm III. bestätigte 1489 sämtliche Stadtprivilegien, die nun an die Verwaltung Darmstadts selbst gebunden waren. Die erreichte Unabhängigkeit brachte aber keinen Vorteil, weil die Stadt seitdem im Gegenzug den jeweiligen Landgraf wirtschaftlich zu unterstützen hatte, also zum Beispiel für seine Schulden aufkommen musste.

Im gleichen Jahr 1518, dem Regierungsantritt von Landgraf Philipp dem Großmütigen, griff Franz von Säckingen Darmstadt an und eroberte sie in kurzer Zeit ohne große Mühe aufgrund der völlig veralteten Befestigungsanlagen. Das Schloss und viele Bürgerhäuser wurden zerstört. Statt die Befestigungen auf den neuesten technischen Stand zu bringen, blieb es beim Wiederaufbau der alten. So war es im Zuge des Schmalkaldischen Krieges kaiserlichen Truppen ein Leichtes, die Stadt 1547 erneut zu erstürmen und zu zerstören.

Auch nach Einführung der Reformation, 1527, stagnierte die Stadt weiter, wenn auch Philipp ihr deutlich mehr Aufmerksamkeit schenkte. Gleichermaßen hielten auch die Spannungen zwischen der städtischen Verwaltung und Bürgerschaft weiter an.

Nach dem Tod Philipp des Großmütigen wurde Hessen 1567 unter seinen vier Söhnen aufgeteilt und Landgraf Georg I. (der Fromme) zum Gründer der Seitenlinie Hessen-Darmstadt. Das war der Startpunkt für eine länger anhaltende positive Entwicklung. Darmstadt war nun Residenzstadt. Durch ihren Wiederaufbau und Reformen in Verwaltung und Gerichtsbarkeit, für längere Zeit verschont von Kriegen, wuchs der Wohlstand der Bevölkerung.

Ab 1591 ist die endgültige Teilung Hessens zugleich Beginn der Souveränität Hessen-Darmstadts. Trotz der gesellschaftlichen Spannungen in der Stadt, der Hysterie der Hexenverbrennungen und wiederholter Pestausbrüche hatte sich die Einwohnerzahl bis 1597 verdoppelt. Die positive Entwicklung setzte sich auch unter Ludwig V. (der Getreue), dem Nachfolger Georg I. zunächst fort. Dann aber stürzte der Dreißigjährige Krieg Darmstadt in mehrere tiefe Krisen. Im Winter 1632/33 brach erneut die Pest aus und forderte 1635 mehr als 2000 Opfer. Im gleichen Jahr besetzten Franzosen kampflos die Stadt, plünderten und verbrannten die umliegenden Dörfer und verwüsteten die Felder. Hungersnöte waren die Folge. Das wiederholte sich 1639, diesmal durch bayrische Truppen.

Der Landgraf hatte sich ins sichere Gießen geflüchtet. Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern drängten in die Stadt und boten der Pest neue Nahrung. Als 1647 erneut Franzosen Darmstadt besetzten, fürchtete man zu Recht den definitiven Untergang der Stadt. Auch nach dem Ende des Krieges durch den Frieden von Münster und Osnabrück erholte sich die Stadt nur sehr allmählich von seinen Folgen.

Mit Ludwig VI. besserten sich ab 1661 die wirtschaftlichen Verhältnisse deutlich. Durch die stetige Ausweitung der fürstlichen Privilegien kam es sukzessive zum kompletten Ende der städtischen Selbstverwaltung und zur weiteren Etablierung des Absolutismus. Auf Ludwig VI. folgte 1678 Ludwig VII., der aber wenig Monate später an der Ruhr starb. Die positive Entwicklung Darmstadts setzte sich fort, als für den zehnjährigen Nachfolger dessen Mutter Elisabeth Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg die Regierungsgeschäfte übernahm. Der ab 1688 regierende Ernst Ludwig führte wiederum das Land vom sicheren Gießen aus. Er versuchte weiter die Prinzipien des Absolutismus auch in Darmstadt durchzusetzen. Nach dem erneut erfolgreichen Angriff der Franzosen 1693 auf die Stadt, ließ er ab 1695 anstelle von Teilen der zerstörten Stadtmauer die „Neue Vorstadt“ errichten. 1698 wieder nach Darmstadt zurückgekehrt, ließ er den Ausbau auch mit repräsentativen Bauten und einen barocken Neubau des Schlosses fortsetzen. Einerseits führte Ernst Ludwigzahlreiche Reformen durch, vor allem auch in Richtung mehr Toleranz gegenüber Katholiken und Juden, andererseits übernahm er sich finanziell derart, dass das Land nach seinem Tod 1739 auf vier Millionen Gulden Staatsschulden saß.

Sein Nachfolger Ludwig VIII. erhöhte diese weiter durch große finanzielle Aufwendungen für den Ausbau des Jagdapparats. Die damit verbundene Zerstörung großer Grundflächen, die nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden konnten, erhöhte weiter die Staatsschulden. Ludwig IX., seit 1768 Landgraf, verordnete dem Land und damit auch Darmstadt einen rigiden Sparkurs. Weil er seinen Regierungssitz nach Pirmasens verlegte, von wo aus er schon seit 1741 als Graf von Hanau-Lichtenberg residiert hatte, versank die Stadt bis zu seinem Tod in politische Bedeutungslosigkeit. Immerhin sorgte seine Ehefrau, Karoline von Hessen-Darmstadt, wenigstens für einen gewissen kulturellen Aufschwung. Sie residierte gern in Darmstadt und scharte dort einen „Kreis der Empfindsamen“ um sich, zu dem auch Goethe gehörte. Da der Landgraf ein Großteil des Staatshaushalts in das Militär investierte, die Hofhaltung massiv verkleinerte und Musik- sowie den Theaterbetrieb einschränkte und nur noch per Dekret von Pirmasens aus regierte, war Darmstadt „bei Antritt der Regierung des jetzigen Fürsten [Großherzog Ludwig I. von Hessen-Darmstadt], im Jahre 1790 … noch ein unbedeutendes, altfränkisches und schmutziges Städtchen von höchstens 700 unansehnlichen Häusern, an welcher Residenz, sonderbar genug, die Landstraße v o r b e i f ü h r t e."1

Mit dem Antritt seiner Herrschaft im Jahre 1790 verlegte Ludwig X. seinen Regierungssitz wieder nach Darmstadt. Als Anhänger der Aufklärung erlaubte er bald den Katholiken die freie Ausübung ihrer Religion und den Juden den Erwerb von Grundbesitz. 1786 erhielt der erste Jude das Bürgerrecht. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 gewann er große Gebiete dazu. 1806 dem Rheinbund beigetreten, ernannte ihn Napoleon I. zum Großherzog. Von nun an nannte er sich Ludwig I. von Hessen-Darmstadt und bei Rhein.

Unter ihm nahm die Einwohnerzahl Darmstadts schnell zu, vor allem seit ab 1810 Georg Moller die „Mollerstadt“ westlich des Schlosses hatte planen und errichten dürfen. Dorthin zogen die sozial besser Gestellten, während die Altstadt immer weiter herunterkam. Der zunächst absolutistische Großherzog führte jedoch 1810 eine landständige Verfassung mit einem Zweikammersystem ein. Der Schuldenabbau wurde zum Staatsziel erklärt. Das Wahlsystem war kompliziert. Wählen durften nur Männer über 25 Jahren, die mindestens 20 Gulden direkte Steuern jährlich zahlten, also nur etwa 15 Prozent der Bürger Darmstadts. Abgeordneter konnte nur werden, der mehr als 100 Gulden direkte Steuern jährlich zahlte: Das waren nicht mehr als 20 Personen.

Der seit 1830 regierende unbeliebte Nachfolger Ludwig II. versuchte anfangs, die zunehmenden revolutionären Ideen durch eine Heroisierung seines immer noch beliebten Vaters zu unterlaufen. Als das nicht mehr ausreichte, ernannte er seinen Sohn Ludwig III. 1848 zum Mitregenten. Im selben Jahr wurden die standesrechtlichen Sonderprivilegien für immer aufgehoben. Dem beliebten Großherzog gelang es, nach dem Tod des Vaters seine hervorgehobene Stellung gegen die aufflammenden demokratischen Ideen zunächst zu verteidigen. 1850 führte er das Dreiklassenwahlrecht nach preußischem Vorbild ein als klaren Hinweis seiner nach wie vor reaktionären Gesinnung.

Vor allem die Industrialisierung sorgte nun für den Aufschwung Darmstadts, die Verelendung in den Armenvierteln konnte gestoppt werden. Dieser Aufschwung ging auch in den 70er und 80er Jahren weiter. Die Stadt wuchs. Das bisher selbstständige Bessungen wurde 1888 eingemeindet. Bereits 1874 hatte Darmstadt eine neue Städteordnung erhalten, die die Selbstverwaltungsrechte der wesentlich vergrößerten Stadtverordnetenversammlung erweiterte. Sie wurde bei gleichem Stimmrecht von allen gewählt, die länger als zwei Jahre in der Stadt gelebt hatten.2

 

In Kenntnis der Jahrhunderte dauernden, nur kurzzeitig unterbrochenen desolaten wirtschaftlichen Situation Darmstadts ist es nicht verwunderlich, dass nach Abzug der bei Scheffler, Hessen, Darmstadt mitaufgeführten Münzmeister, Medailleure, Gold- und Silbersticker sowie der reinen Juweliere, die Zahl der Goldschmiede (Gold- und Silberarbeiter) recht übersichtlich bleibt. Und es erklärt auch, warum eine ganze Reihe von ihnen offensichtlich nach kurzer Zeit mit ihren Familien weiterzogen, weil nur die Hofgoldschmiede ein bescheidenes Auskommen hatten. Zudem erschien das nahe gelegene und in seiner Finanzkraft übermächtige Frankfurt a. M. viel stärker zur Niederlassung zu animieren und besaß für die wenigen zahlungskräftigen Patrizier Darmstadts sowie den Landadel der Umgebung weit größere Anziehungskraft.

Da Silberarbeiten im Großherzogtum nur mit Meister- und Feingehaltszeichen gestempelt werden mussten, aber kein amtliches Beschauzeichen dem Besteller die Richtigkeit der verabredeten Lötigkeit garantierte, geriet das den Goldschmieden des Landes gegenüber den Konkurrenzprodukten aus den Nachbarstaaten immer wieder zu weiterem Nachteil. Die durch die Nähe zu Frankfurt besonders betroffenen Gold- und Silberarbeiter Offenbachs richteten am 19. Februar 1824 an den Großherzoglich Hessischen Landrat die Eingabe, "endlich ein landeseinheitliches Edelmetallbeschauverfahren einzuführen". Erst fünf Jahre später erließ der Großherzog am 23. April 1829 eine "Verordnung, die Aufsicht über die Fabricate der Gold- und Silberarbeiter betr." Wieder wurde versäumt, eine Beschau für alle im Großherzogtum hergestellten Silberwaren verbindlich vorzuschreiben. Vielmehr sei nach §2 eine "besondere Probe" nur dann vorzunehmen, wenn sie von der Polizeibehörde, dem Verkäufer, dem Käufer oder einem dritten Besitzer der Ware verlangt wird, sollte der Verdacht bestehen, dass einem "Fabricat ein höherer Gehalt aufgeschlagen sey, als derselbe hat". "Zur Vornahme der auf Verlangen (§2) anzustellenden Probe" werden von den betreffenden Provinzialregierungen der Städte Darmstadt, Gießen, Mainz, Offenbach und Worms "besondere Waradeine angestellt und hierauf verpflichtet" (§3).3

Werner Schmidt konnte 1998 in seinem Beitrag die konkrete Handhabung des Waradein-Wesens für Offenbach, Darmstadt und Mainz klären. Als Garantie für die Richtigkeit der für den Gegenstand verabredeten Lötigkeit wählte man als Marke nach durchgeführter "besonderer Probe" den steigenden doppelschwänzigen Hessischen Löwen mit Schwert in der rechten Tatze aus dem Großherzoglichen Landeswappen und - nicht obligatorisch - begleitet von der persönlichen Marke des Waradeins.4

Rosenberg und Scheffler hatten diese Löwen-Marken auf den zahlreich vorhandenen Darmstädter Arbeiten des 19. Jahrhunderts noch für Beschauzeichen der Stadt gehalten.5  Diese Marken zeigen zwar das Großherzoglich Hessische Staatswappen, doch die Residenzstadt nutzte den steigenden Löwen nie allein in ihrem Wappen, sondern stets hälftig in Kombination mit einer Lilie.6 Und so hielten es auch ihre Goldschmiede. Das Beschauzeichen auf den wenigen erhaltenen Arbeiten des 17. und 18. Jahrhunderts gibt exakt das Stadtwappen wieder (Nr. 9a, b, Nr. 17a, b). Keine sichere Erklärung gibt es für die Bedeutung der Wardein-Marke, auf der der steigende Hessische Löwe auf einem Balken steht (z. B. Nr. 32b, c, Nr. 47a). Viel spricht für die Vermutung Schmidts, dass es sich dabei um die Hessen-Darmstädtische Silber-Ausfuhrmarke handeln könnte.7

 

Anmerkungen

1. NN: 40. Hessen-Darmstadt. In: Gemeinschaftliche Deputation der Vereine für Landwirthschaft und Polytechnik in Baiern (Hg.): Monatsblatt für Bauwesen und Landesverschönerung. 3. Jg. (1822), S. 43.

2. https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Stadt_Darmstadt.- Quellen für : Darmstadt – Auszug aus der Topographia Hassiae von Matthäus Merian 1655 u. Wappen Darmstadt: https://de.wikipedia.org/wiki/Darmstadt.

3. Schmidt, Großherzogtum Hessen-Darmstadt, S. 782f.

4. Wie Anm. 3, S. 783f.

5. Darmstädter Stadtmarken 1607, 1608, in: Marc Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen" (R3) bzw. die Stadtmarken 41-43 des Ortes, in: Scheffler, Hessen.

6. Schmidt wies treffend darauf hin, dass die Darmstädter im Volksmund immer "Lilien" genannt wurden (wie Anm. 3, S. 784).

7. Wie Anm. 3, S. 784.

 

Die Goldschmiede von Darmstadt - Lebensdaten und Werke
Tabelle mit den vollständigen Lebensdaten aller Darmstädter Goldschmiede, einschließlich der Abbildung ihrer bekannten Werke.
Tabelle Darmstadt mit Lit.-Verzeichnis.p[...]
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