Erstmalig wird Offenbach 977 urkundlich erwähnt anlässlich einer von Kaiser Otto II. beurkundeten Schenkung an die Frankfurter Salvatorkirche, dem späteren „Dom“. „Seit dem Mittelalter“ war der Ort Teil der Biebermark.1 Bis 1500 wechselte das Dorf Offenbach sechsmal – meist waren es die in Anm. 1 genannten Herrschaften – den Besitzer. Mit der Errichtung eines Schlosses machte Graf Reinhard von Isenburg-Birstein Offenbach zur Residenz. Erst 1559 wurde die Reformation durchgeführt. Im Dreißigjährigen Krieg vertrieben 1631 die Schweden die bayrische Besatzung Offenbachs.

Wie in einer Reihe deutscher Staaten nahm auch Graf Philipp von Isenburg-Offenbach 1698 hugenottische Flüchtlinge auf, die direkt westlich an Offenbach angrenzend eine eigene Gemeinde gründeten. Überall hatten sie zukunftsträchtige Techniken und handwerkliche Fähigkeiten, hier die Tabakverarbeitung, mitgebracht mit der Folge, dass der von ihnen bewohnte Westteil im Laufe des 18. Jahrhunderts sich schnell zur Stadt entwickelte.

Da die Zünfte Frankfurts Gewerbefreiheit nicht duldeten, ließen sich zahlreiche Manufakturisten mit von den Isenburgern gewährten Privilegien im Laufe des 18 Jahrhunderts über die Grenze nach Offenbach locken. Ab den 70er Jahren entwickelte sich Offenbach zu einer rasch wachsenden Industriestadt. Zum Beispiel begann zu dieser Zeit die Lederwarenverarbeitung. Ihre Attraktivität wuchs durch die Ende des Jahrhunderts gewährte freie Religionsausübung auch für Katholiken, durch die 1794 aufgehobene Leibeigenschaft und den 1803 abgeschafften Leibzoll für Juden. 1799 erfolgte unter persönlicher Anleitung Alois Senefelders die erste kommerzielle Anwendung der Lithografie in Offenbach für den Notendruck des Musikverlegers Johann Anton André. Als erstes erschienen so ab 1800 Mozarts Klavierkonzerte.

Der von Napoleon I. gefürstete Carl von Isenburg verlor wegen dieser Nähe zum dann gestürzten Imperator im Wiener Kongress prompt seine Landesherrschaft. Nach kurzer Zugehörigkeit zum Erzherzogtum Österreich, fiel Offenbach schließlich 1816 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt. Als die Biebermark 1819 endlich aufgelöst worden war2 und Offenbach einen Anteil von 1733 Morgen Land zugesprochen erhielt, konnte sich die Stadt nun auch nach Osten ausdehnen.

Nachdem sich das Großherzogtum 1828 der preußischen Zollunion angeschlossen hatte, Frankfurt a. M. aber neutral blieb, bedeutete das zunächst ihr Ende als Messestadt. Ab 1828 fand nun die Messe für einige Jahre in Offenbach statt, was einen deutlichen wirtschaftlichen Zugewinn zur Folge hatte, auch wenn die Messe während der Koalitionskriege infolge Kontinentalsperre bereits stark an Bedeutung verloren hatte.

Eine erste Vorgängerin der späteren Hochschule für Gestaltung wurde 1822 gegründet.

Vor allem durch die seit 1848 konsequent verfolgte Anbindung an das entstehende Eisenbahnschienennetz mit der Verbindung zu Frankfurt, 1873 zu Bebra und Errichtung des Hauptbahnhofs waren optimale Voraussetzungen für die Ansiedelung von Schwer- und Chemischer Industrie gegeben und genutzt. Die Stadt wuchs in den folgenden zwei Jahrzehnten so rasant wie nie zuvor. Ab 1884 besaß Offenbach nach Frankfurt a. M. und Berlin eines der ersten Telefonnetze Deutschlands.3

 

Werner Schmidt hatte bereits 1983 mit dem Katalog zur Ausstellung „Gold- und Silberschmiede in Offenbach am Main“ im Stadtmuseum seiner Heimatstadt eine erste Würdigung ihres Wirkens vorgelegt, freilich nur mit gezeichneten Marken und Abbildungen in schwarz/weiß.4 Seit den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts arbeiteten Silberschmiede – archivalisch reichlich belegt – in Offenbach; einerseits geflüchtete Hugenotten aus Straßburg (Nr. 3, 4, 6), andererseits anfangs aus anderen deutschen Städten stammend (Nr. 1, 2, 5, 7). Erst der achte Silberschmied Joh. Schneider war in Offenbach geboren.

Offensichtlich konnte keiner der im 18. Jahrhundert tätigen Silberarbeiter allein von seiner Profession leben, wie ihre zahlreichen Zweitberufe belegen. zum einen wegen der übermächtigen Konkurrenz Frankfurts, zum anderen war Offenbach bis in die 70ger Jahre eine Kleinstadt mit um 1800 10-12000 Einwohnern.

Dank der oben aufgeführten Privilegien der Isenburger Grafen ließen sich nicht nur Hugenotten aus Frankreich und solche, die in der Schweiz nicht mehr geduldet wurden, zum Bleiben bewegen. Da Frankfurts Rat und Zünfte den zunächst dorthin geflüchteten das Leben schwer machten, zogen viele zwar nach Hanau weiter, einige jedoch auch nach Offenbach. Sie alle brachten gegenüber ihrer neuen Heimat überlegene handwerkliche Fähigkeiten und Techniken mit. Da Gewerbefreiheit garantiert wurde, wandelten sich dann in Zeiten der beginnenden industriellen Revolution die Werkstätten nicht nur der Lederverarbeitung sondern auch der Gold- und Silberschmiede in leistungsfähige größere Manufakturen mit beginnendem Fabrikcharakter, vor allem in der Besteckherstellung.

Obwohl der offensichtliche Niedergang der Frankfurter Messe und ihre zeitweilige Verlegung nach Offenbach den Silberschmieden sicher Vorteile brachte, ein großer bleibender Nachteil ließ sich auch damit nicht ausgleichen: das Fehlen verbindlicher Kennzeichnungen ihrer Waren. Bis zum heutigen Tag konnte keine einzige Silberarbeit für Offenbach aus dem 18. Jahrhundert gesichert werden. Die wichtigste Ursache dafür war neben den oben genannten Gründen, dass die Gold- und Silberarbeiter der Stadt ihre Werke nie mit einem Beschauzeichen versehen mussten, die Initialen ihres Namens als Meisterzeichen und die Lötigkeitsangabe genügten. Daran änderte sich auch nichts, seitdem Offenbach zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehörte. Und doch hatte diese Tatsache nicht nur Nachteile. Offenbachs Goldschmiede konnten mit ihren Bestellern frei verabreden, welchen Feingehalt die geplante Silberarbeit haben sollte. Darüber hinaus gelang es ihnen - offensichtlich durchaus erfolgreich - auf den Frnkfurter Messen im 18. Jahrhundert immer wieder, ihre Produkte unter Umgeheung der für die Frankfurter Gold- und Silberarbeiter geltenden strengen Zunftregeln zu verkaufen. Schon 1777 "habe [laut einer ersten Protesteingabe] L'Allemand von Offenbach geringhaltige Gold und Quiquallerica an den Messen" feilgeboten.5 Und 1783 beschwerten sich die Gold- und Silberarbeiter beim Rat der Stadt erneut über "die von dem Beck [Nr. 2] und anderen zu Offenbach hier einschleichende Silberarbeiten".6

Da auch weiterhin Silberarbeiten nur mit Meister- und Feingehalt gestempelt werden mussten, aber kein amtliches Beschauzeichen die Richtigkeit der Lötigkeit garantierte, geriet das den Goldschmieden im ganzen Großherzogtum gegenüber den Konkurrenzprodukten aus benachbarten Territorien trotzdem immer wieder zum Nachteil. Die durch die Nähe zu Frankfurt besonders betroffenen Gold- und Silberarbeiter Offenbachs richteten am 19. Februar 1824 an den Großherzoglich Hessischen Landrat die Eingabe „endlich ein landeseinheitliches Edelmetallbeschauverfahren einzuführen“. Erst fünf Jahre später erließ der Großherzog am 23. April 1829 eine „Verordnung, die Aufsicht über die Fabricate der Gold- und Silberarbeiter betr.“ Wieder wurde versäumt eine Beschau für alle im Großherzogtum hergestellten Silberwaren verbindlich vorzuschreiben. Vielmehr sei nach § 2 eine „besondere Probe“ nur dann vorzunehmen, wenn sie von der Polizeibehörde, dem Verkäufer, dem Käufer oder einem dritten Besitzer der Ware verlangt wird, sollte der Verdacht bestehen, dass einem „Fabricat ein höherer Gehalt aufgeschlagen sey, als dasselbe hat“. „Zur Vornahme der auf       Verlangen (§ 2) anzustellenden Probe“ werden von den betreffenden Provinzialregierungen der Städte Darmstadt, Gießen, Mainz, Offenbach und Worms „besondere Waradeine angestellt und hierauf verpflichtet“ (§ 3). Schmidt konnte 1998 in einem Beitrag für WELTKUNST die konkrete Handhabung des Waradein-Wesens für Offenbach, Darmstadt und Mainz klären. Als Garantie für die Richtigkeit der für den Gegenstand verabredeten Lötigkeit wählte man als Waradein-Marke den steigenden doppelschwänzigen Hessischen Löwen mit Schwert in der rechten Tatze aus dem Großherzoglichen Landeswappen und – nicht obligatorisch – begleitet von der persönlichen Marke des Waradeins.7

Während die „Wardeinmarke des steigenden Hessischen Löwen“ für Darmstadt und Gießen zahlreich nachgewiesen ist,8 konnte die von dem Silberschmied Johann Christoph Christian Feuss (Nr. 68) in den Offenbacher Polizeiakten als Rußabdruck hinterlegte Wardein-Marke neben den übrigen von ihm verwendeten Marken,9 bisher auf keiner Offenbacher Arbeit nachgewiesen werden, wohl aber einige persönliche Wardeinmarken mit einem oder zwei Buchstaben ihres Familiennamens (siehe 49e, f, 53a, b, 77g). Da aber bis auf wenige Ausnahmen die Namen der Offenbacher Wardeine nicht bekannt sind, lassen sich diese Marken nicht sicher einem Wardein zuordnen.

Also blieb auch nach 1829 den Gold- und Silberschmieden Offenbachs überlassen, ob sie ein BZ auf ihren Waren anbrachten ober eben nicht. Damit fehlte weiterhin die für Käufer oder Besteller verbindliche Vertrauens-Garantie auf ihren Erzeugnissen. Diesen Nachteil glich eine in Deutschland ziemlich einmalige ortsübergreifende Zweckehe zwischen den Offenbacher und den Frankfurter Silbermanufakturen aus. Ab den 1830er Jahren stellten erstere, wohl im Auftrag letzterer vornehmlich Besteck- aber auch Korpussilber her, versehen mit Meisterzeichen, mal mit, mal ohne Feingehaltszeichen. Diese Waren wurden dann von renommierten Frankfurter Silberwarenbetrieben übernommen, erneut mit ihren Meisterzeichen versehen, zuweilen begleitet mit dem bekrönten FZ, und nun verkauft. Die auf ihnen angebrachten MZ der Firmen Hessenberg u. Co, Eduard Schürmann und Comp.,   J. H. PH. Schott Söhne und Sackermann, Hessenberg & Co wurden hier zu reinen Verkäufermarken. Diese Form der Zusammenarbeit hatte Schmidt bereits 1983 aufgedeckt,10 während noch Scheffler für diese, auch ihm nicht entgangenen Markenkombinationen auf Frankfurter Arbeiten, keine Erklärung hatte.11

Aufgrund dieser Besonderheiten hat der Autor, statt - wie sonst - spätestens dann die Darstellung  der Arbeiten der Gold- und Silberschmiede einer hessischen Stadt zu beenden, wenn die Umstellung auf reine Industrieproduktion erfolgte, hier als Ausnahme die Arbeit der Offenbacher Gold- und Silberschmiede bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts abgehandelt. Damit konnte bestenfalls nur eine kulturhistorische Würdigung verbunden sein.

 

Anmerkungen

1. https://de.wikipedia.org/wiki/Biebermark: Die Biebermark war „als Markgenossenschaft ein Zusammenschluss der zwölf Dörfer, um das umliegende Gebiet zu bewirtschaften. die Dörfer gehörten politisch und verwaltungstechnisch verschiedenen Landesherren und Ämtern an. Diese Landesherren waren je nach Zeitpunkt zum Großteil die Herren von Eppstein, der Kurfürst von Mainz, die Herren von Falkenstein und die Grafen von Isenburg. Der Oberhof der Biebermark war in Bieber.“

2. Wie Anm. 1: „Dass die Biebermark als freies Eigentum der Markgenossen [trotz zuletzt chaotischer Zustände] so lange Zeit Bestand hatte, verdankte sie offensichtlich der Tatsache, dass die ihr angehörenden Dörfer unterschiedlichen Herrschaften angehörten. Diese wachten eifersüchtig darüber, dass kein anderes Herrscherhaus zu viel Macht über die Genossenschaft an sich riss. Und so ist es auch keiner Herrschaft gelungen, die Biebermark komplett in sein Herrschaftsgebiet einzugliedern, wie dies bei den anderen Markgenossenschaften des Rodgaus der Fall war.“

3. https://de.wikipedia.org/wiki/Offenbach_am_Main.

4. Gold- und Silberschmiede in Offenbach am Main, AK. Ausstellung im Stadtmuseum Offenbach 26. März – 21. August 1983, Bearb. Werner Schmidt, Hg. Magistrat der Stadt Offenbach, Hanau 1983.

5. Ugb. A. 52. No. 7, Nr. 132., Gold- und Silberschmiede, Drahtzieher, Goldsticker, Goldschläger, in: Institut für Stadtgeschichte, Karmeliterkloster, Frankfurt a. M., Münzgasse 8.

6. 4. Ugb C. &. Rep. Nr. 12, dort Nr. 132, a.g.O.

7. S. 782f., in: Werner Schmidt, Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Goldschmiedemarken: neue Forschungsergebnisse Teil 12, in: WELTKUNST, 4, 1998, S. 782-784.

8. Siehe „Goldschmiede von Darmstadt“ u. „Goldschmiede von Gießen“, in: silber-kunst-hessen.de.

9. Wie Anm. 6, S. 783.

10. Wie Anm. 4, S. 49f.

11. Siehe Tabelle Nr. 49b, 75c, 77m.

 

Die Silberschmiede von Offenbach - Lebensdaten und Werke
BZ und Tabelle mit den vollständigen Lebensdaten der Offenbacher Silberschmiede, einschließlich der Abbildung ihrer bekannten Werke.
Tabelle Offenbach mit Lit.-Verzeichnis.p[...]
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