Urkundlich erscheint der Ort erstmals 871mit Namen „villa Smalkalta“ als ihn zusammen mit zwei weiteren die fränkische Hochadlige Kunhilt dem Kloster Fulda übereignete. In Auseinandersetzungen um den Königsthron zwischen Staufern und Welfen wurde Schmalkalden 1203 zerstört. 1227 verabschiedete hier Elisabeth von Thüringen ihren Mann Landgraf Ludwig IV., der sich dem Kreuzzugsheer Kaiser Barbarossas anschließen wollte, aber bereits am 12. September des Jahres, kurz nach seiner Einschiffung nach Otranto, an einem Infekt starb.
Nach dem Tod Heinrich Raspes, des letzten Ludowingischen Landgrafen von Thüringen, gelangte Schmalkalden im Verlauf des nun entstehenden thüringisch-hessischen Erbfolgekriegs an die Grafen von Henneberg und wird 1250 erstmals als Stadt erwähnt. 1335 erhält sie das Stadtrecht von Gelnhausen.
Da die Umgebung Schmalkaldens reich an Eisenerzen war, entwickelte sich wohl schon bald ein stark ausdifferenziertes Eisengewerbe als Grundlage für den frühen Reichtum der Stadt. Diese Entwicklung förderten besonders Graf Berthold der Große von Henneberg, der gegen 1315 die Stadt befestigen ließ und sein Sohn Graf Heinrich, letzterer durch den Schutz des bürgerlichen Handels.
In einem Brief bestätigt 1360 Landgraf Heinrich II. von Hessen, dass er mit Elisabeth, der Witwe Johann I. von Henneberg-Schleusingen, Stadt und Amt Schmalkalden sowie Herrenbreitungen „mit Zubehör“ für den Kaufpreis von 43 000 Goldgulden von Albrecht von Nürnberg gekauft und mit ihr dazu einen Erbvertrag abgeschlossen habe.
Die somit beginnende hennebergisch-hessische Herrschaft führte zu einer konsequenten Teilung der Stadt mit dem Flüsschen Schmalkalde als Grenzlinie. Beide Teile der Stadt hatten mit dem Hessenhof und dem Henneberger Hof eine eigene Verwaltung. In endlosen Streitereien wachten die jeweiligen Verwaltungen eifersüchtig über ihre Rechte und Privilegien, was es den Bürgern schwer machte, ihren jeweiligen Landesherren gerecht zu werden. Trotzdem entwickelten sich besonders die mit der Eisenverarbeitung befassten Handwerke so prächtig, dass es ihnen gelang, zwischen Rat und Gemeinde der Stadt eine eigene Körperschaft zu bilden, die sich mit eigenen Privilegien bis zum Ende des 15. Jahrhunderts behaupten konnte.
Das 16. Jahrhundert sollte von größter Bedeutung für Schmalkalden werden. 1525 hatte sich zwar zunächst ein Teil der Bürgerschaft dem Bauernkrieg angeschlossen, unterwarf sich aber schnell wieder ihren Landesherren und vermied – zwar unter erheblichen Bußen – eine stärkere Bestrafung. Die Reformation erfolgte ohne besondere Schwierigkeiten, auch wenn die Henneberger Grafen zunächst beim alten Glauben blieben. Unter Mitführung Landgraf Philipp des Großmütigen von Hessen hatten sich die protestantischen Reichsstände 1531 während des Konvents in Schmalkalden zum Schmalkaldischen Bund zusammengeschlossen. Denn Kaiser Karl V. hatte 1530 auf dem Augsburger Reichstag die Confessio Augustana, das protestantische Glaubensbekenntnis, abgelehnt.
Seine größte Zeit erlebte die Stadt sicher, als sich im Februar 1537 eine Reihe protestantischer Fürsten, die Vertreter einer Reihe protestantisch gesinnter Reichsstädte mit den bedeutendsten Theologen der neuen Lehre, darunter Luther und Melanchton trafen, um den Entwurf der protestantischen Hauptsätze zu überprüfen. Die Schmalkaldischen Artikel wurden einstimmig angenommen.
1583 trat der Erbvertragsfall ein, denn mit dem Tod des Hennebergischen Fürstgrafen Georg Ernst starb die Erblinie aus. Das hennebergisch-hessische Kondominium war beendet. Ab 1584 regierten allein die hessischen Landgrafen in der Stadt und Herrschaft Schmalkalden. Als Residenz ließ Wilhelm IV. die nach ihm benannte Wilhelmsburg anstelle einer aus dem 12. Jahrhundert stammenden Burg errichten. Schmalkaldens Deputierte saßen in den Landtagen der Landgrafschaft Hessen-Kassel (bis 1803), des Kurfürstentums (1831-1866) und im Provinziallandtag der preußischen Provinz Hessen-Nassau (1866-1933).
Eine Zeit religiöser Wirren brach an, als Landgraf Moritz (1572-1630) ab 1603 unter dem Einfluss seiner zweiten Frau Juliane von Nassau-Dillenburg (1587–1643) – wie fast überall in seinem Land – die sogenannten „Verbesserungspunkte“ des „Deutsch-Reformierten Bekenntnisses“ gegen erbitterten Wiederstand auch in der Herrschaft Schmalkalden gewaltsam durchsetzen ließ. Vergrößert wurden die Wirren ab 1604 durch den Marburgischen Erbfolgestreit nach dem Tod des kinderlosen Landgrafen Ludwig von Hessen-Marburg. 1623 erklärte der Reichshofrat nämlich, dass die von Hessen-Kassel beanspruchten Erbteile an Hessen-Darmstadt herausgegeben werden und alle bis dahin erzielten Einkünfte zurückgezahlt werden müssen. Bis dies erfolgt sei, seien neben anderem Besitz auch die Herrschaft Schmalkalden an Hessen-Darmstadt zu verpfänden. Nach der 1626 erfolgten Inbesitznahme durch Hessen-Darmstadt wurde nun die Lutherische Lehre wieder eingeführt. Den Reformierten aber blieb gestattet, an anderen Orten ihre Gottesdienste abhalten zu dürfen. Erst im Separatfrieden zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt von 1648, durch den Schmalkalden wieder an Hessen-Kassel zurück gelangte, wurde der reformierte Gottesdienst wieder hergestellt unter Fortdauer des lutherischen. Das fanatische Gezänk zwischen beiden Richtungen des Protestantismus fand in Schmalkalden erst ein Ende, als man sich auf die wechselseitige Benutzung der Stadtkirche einigte unter gänzlicher Überlassung der Schlosskirche an die Reformierten.
Weit über das Übliche hinaus gingen die Leiden Schmalkaldens im Dreißigjährigen Krieg. Zwei Gründe sind dafür verantwortlich. Zum einen lag sie zu dieser Zeit im Zentrum der sich kreuzenden Handelsstraßen, bot also ideale Voraussetzungen für durchziehende Heere. Zum anderen befand sich die unglückliche Stadt aus den oben genannten Gründen in der Pfandschaft Hessen-Darmstadts. Sie hatte also weder von den protestantischen noch von den Kaiserlichen Heeren Gnade zu erwarten.
Ab den beginnenden 30er Jahren wurden aus der bis dahin ja reichen Stadt von wechselnden Besatzungen (und von den beiden Hessischen Landesherren) jährlich Unsummen erpresst, der Stadtrat in Geiselhaft genommen, wenn die Bürger sich nicht imstande sahen, die geforderten Gelder sofort aufzubringen, um einer Plünderung zu entgehen, die dann doch erfolgte. Schließlich musste in Körben das gesamte Silbergeschirr der wohlhabenderen Einwohner abgeliefert werden, dann 15% des Besitzes und schließlich wurde die Stadt aller Nahrungsmittel, vor allem ihres Korns und ihres Viehs beraubt.
Mit dem Frieden von Münster und Osnabrück war das Leiden der Schmalkaldener noch nicht beendet. Erst im August 1650 erfolgte der letzte Durchmarsch schwedischer Truppen und noch 1656 hatten Stadt und Amt Schmalkalden 11000 Gulden Kriegssteuern nach Kassel zu zahlen. Zurück blieb eine völlig verwüstete verarmte Stadt.
Schon 1649 hatte Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel seiner Frau Hedwig-Sophie, der Schwester des Großen Kurfürsten, Stadt, Amt und Schloss Schmalkalden als Wittum vermacht. Sie trat es aber erst 1676 an, da sie nach dem Tod Wilhelm VI. ab 1663 die Regentschaft zunächst für ihren unmündigen Sohn, den späteren Wilhelm VII. (1651-1670) und nach dessen frühen Tod für den ebenfalls noch unmündigen Sohn Carl, seit 1670/77 Landgraf, übernehmen musste. 1680 verlegte sie ihren Hof endgültig hierher. Sie starb 1683 in der wieder hergerichteten Wilhelmsburg.
Die als tüchtige Regentin Hessen-Kassels in die Geschichte des Landes eingegangene Hedwig-Sophie, tat mit reger Bautätigkeit auch in ihrem Wittum viel Gutes zum Wiederaufbau Schmalkaldens. Doch in ihrem Eifer für die reformierte Lehre beging sie auch Ungerechtigkeiten. Auf alle mögliche Weise versuchte sie, den lutherisch gebliebenen Teil ihrer Bevölkerung zum Übertritt zu zwingen durch die einseitige Unterstützung reformierter Pfarrer, Lehrer und Schüler in Dörfern, die bis dahin rein lutherisch geblieben waren.
Bei der kunstgeschichtlichen Würdigung der erhaltenen Goldschmiedearbeiten Schmalkaldens wird zu der daraus folgenden geradezu grotesken doppelten Ausstattung mit Kirchengerät unten ausführlich Stellung genommen.
Nach wie vor war die Umgebung Schmalkaldens reich an Bodenschätzen. Deshalb gelangten die Familien der Stahlgewerke bald wieder zu Wohlstand. Da Hessen-Kassel im Siebenjährigen Krieg durch verwandtschaftliche Bande fest an der Seite Preußens stand, erlitt Schmalkalden das gleiche Schicksal wie die Hauptstadt des Landes. Wieder kamen 1756 die Kroaten. Allein 1758 forderten die französischen Besatzer 30 000 Taler Kriegskontribution, danach ebenso viel die Kaiserlichen. Einquartierungen und Fouragierungen kamen hinzu. 1760 schließlich plünderten die Kursachsen die Stadt.
Ließen schon diese Verhältnisse eine grundsätzliche Erholung von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges nur schwer zu, kam das weitgehende Aus für die geplagte Stadt mit der Napoleonischen Zeit. In den wenigen Jahren des Königreichs Westphalen (1807-1813) wurde sie geradezu ausgesogen und die Ausstattung des Schlosses versteigert. Nach der Schlacht von Leipzig am 16.10.1813 kam Schmalkalden nach der Auflösung des Königreichs wieder zu Hessen-Kassel. Beim Rückzug der „Großen Armee“ wurde Schloss Wilhelmsburg zum Lazarett. Als dort auch noch die Kriegspest ausbrach, führte das in ihrer Folge insgesamt zum vollständigen Ruin des Schlosses.
Damit gab es kein Abstiegsquartier mehr für den kurfürstlichen Hof. Dazu kam die weite Entfernung von der Landeshauptstadt. Schmalkalden war zu einer völlig unbedeutenden Provinzstadt abgesunken. Missliebige Beamte schob man gerne dorthin ab, was der Stadt den Titel „Hessisch Sibirien“ einbrachte.
Die Annexion Hessen-Kassels 1866 durch Preußen änderte wenig. Erst die Anbindung an das Schienennetz eine Generation später ließ die Stadt wieder aufblühen.1
Grundsätzlich können die handwerklichen und künstlerischen Leistungen der Goldschmiede nur im Wissen um die Geschichte der Orte, in denen sie entstanden waren, kunsthistorisch valide diskutiert und bewertet werden. Für keinen Ort gilt das so wie für Schmalkalden. Die schon im Mittelalter wohlhabende, ja reiche Stadt besaß bei diesen Voraussetzungen nachweislich bereits im 14. Jahrhundert tüchtige Goldschmiede, die die Techniken ihres Handwerks meisterlich beherrschten (siehe Abb. 1).2 Weitere Beispiele aus spätgotischer Zeit sind künstlerische Prachtstücke der Umsetzung christlichen Gedankenguts der Zeit. Meisterhaft werden Treib- und Gusstechnik, Gravur und Arbeiten in Email verbunden mit dem Einsatz geprägter Zierbänder und Medaillons (siehe Abb. 2-4).3a-c
Die aufgeführten Arbeiten stellen nur eine Auswahl dar aus dem Kirchenschatz der Stadtkirche Schmalkaldens. Darüber hinaus haben wenigstens zehn Patenen aus spätgotischer Zeit bis in frühe 17. Jahrhundert überlebt, deren zugehörige Kelche aus unten ausführlich dargestellten Gründen, vor allem im Dreißigjährigen Krieg verloren gingen. Alle diese Arbeiten tragen weder Beschau- noch Meisterzeichen. Doch darf getrost davon ausgegangen werden, dass sie, bis auf sehr wenige Ausnahmen, in Schmalkaldener Werkstätten gearbeitet worden sind.
Georg und Vinzenz Leib sind die beiden ersten namentlich bekannten Goldschmiede Schmalkaldens im 16. Jahrhundert. Ob es verwandtschaftliche Beziehungen zwischen ihnen gab, konnte bisher nicht geklärt werden. Während von Vinzenz Leib nur einige wenige Lebensdaten gesichert werden konnten, haben sich von Jörg Leib darüber hinaus zwei Patenen aus der Zeit um 1550 und von 1561 erhalten, die sein Meisterzeichen tragen (1a, b). Da die dazu gehörenden Kelche nicht mehr existieren, lassen die beiden bescheidenen Arbeiten von seiner Hand eine Beurteilung seiner Fähigkeiten nicht zu. Immerhin ist die von einem Glockenkranz umgebene crux quadrata mit den Trompetenarmen auf die Fahne der Patene von 1561 gekonnt graviert.
Mit der Ansiedelung des aus Allendorf stammenden Goldschmieds Bernhard Rieß (Riesner) (Nr.3) beginnt für Schmalkalden und anschließend für Hessen-Kassel ein wichtiges Kapitel nicht nur in der Entwicklung der Goldschmiedekunst. Sein 1585 geborener Sohn Jörg (Georg) (Nr. 4) wird der Stammvater einer überaus erfolgreichen Sippe von Goldschmieden und äußerst einflussreichen Juristen über mehrere Generationen.4 Zwei glücklicherweise erhaltene Arbeiten beweisen sein großes Können. 1631 arbeitet er im Auftrag eines Adligen für die Gemeinde Asbach einen Kelch (4b). Er weist keinerlei Elemente der Renaissance auf. Vielmehr folgt er mit guten Proportionen ganz dem zu dieser Zeit modischen gotischen Revival. Bis auf die randparallelen Gravurlinien der Pässe und Schaftstücke schmucklos, ist der Kelch ganz dem reformierten Bekenntnis verpflichtet. Das aufgelegte, von einem Engel gehaltene Kruzifix ist Ausweis souveräner Gusstechnik.
Aus ganz anderem Geist entstand - etwa zehn Jahre früher - sein kürzlich für das Museum Schloss Wilhelmsburg, Schmalkalden, erworbene Akeleipokal für ein adliges Paar als Auftraggeber (4a). Der immer als Prunkstück, nicht für den Gebrauch bestimmte Pokal folgt in seiner frühbarocken Ausführung mit Renaissance-Elementen modisch ganz der Zeit. Mit der Figur eines römischen Soldaten als Deckelbekrönung und dem schlanken Schaft erhält er den für das Barock typische Vertikalbetonung seiner Silhouette. Georg Rieß beweist mit der Konzeption des Pokals sein künstlerisches Einfühlungsvermögen und mit seiner Ausführung sein überragendes handwerkliches Können. Ohne Zweifel befand sich der Pokal im 17. und 18. Jahrhundert weit außerhalb Schmalkaldens und entging so seiner Vernichtung in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges.
Von den sicher ebenso begabten Söhnen und Enkeln des Georg Rieß, sämtlich nicht nur Goldschmiede, sondern auch Glasschneider, das heißt auch Juweliere, Tobias (Nr. 9), sein Sohn Johann Andreas (Nr. 14), Jeremias (Nr. 11) und dessen Sohn Johann Wilhelm (Nr. 17), hat sich bisher keine einzige Arbeit nachweisen lassen. Lediglich Johann Georg(e), seit 1651 Bürger in Kassel,5 ist mit einer Patene und einer durchaus gelungenen Oblatendose (10b, a) in Schmalkalden vertreten (hier Nr. 11), versehen mit dem Beschauzeichen des Ortes. Die mit den angenommenen Entstehungsdaten um 1645 und 1650 datierten Geräte können aber auch deutlich später, um 1680, angefertigt worden sein, als die Auftraggeber sie nicht an die überwiegend lutherisch gebliebenen Goldschmiede Schmalkaldens sondern nur an reformierte außerhalb des Ortes vergeben wollten.
Die von den Brüdern Sigmund und Conrad Bornschürer (Nr. 5 u. 7) erhaltenen Kelche, die in dörflichen Gemeinden der Herrschaft Schmalkalden und des Henneberger Landes überlebt haben, sind sämtlich von sehr guter handwerklicher Qualität (5a, c, d bzw. 7a).Doch weichen sie selbst bis in die 60er Jahre des 17. Jahrhunderts in allen Details nicht vom spätgotischen Formenkanon ihrer Vorgänger ab. Wären nicht die großen Kuppen, könnten sie ohne Vorwissen durchaus 150 Jahre früher entstanden sein. Lediglich der Kelch des Conrad Borschürer (7a) weist mit seinem sechspassigen Fuß und dem auf seinem Rücken applizierten Blütendekor erstmals auf eine Entstehung im Barock hin.
Dass sich von all diesen sicher tüchtigen Goldschmieden Schmalkaldens bis auf den Akeleipokal keine einzige profane Silberarbeit anscheinend erhalten hat und nur ein Bruchteil der ursprünglich vorhandenen Kirchengeräte, ist den Ereignissen in der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges geschuldet. Auf die Erpressungen der Schweden, denen die unglückliche Stadt ausgeliefert war, folgten 1634 die der Kaiserlichen. „Die monatlich geforderten 2000 Taler Kriegssteuer, konnte bereits nicht mehr in gemünztem Geld aufgebracht werden, sondern wurde großenteils in Form von Silbergeschirr der Bürger entrichtet. … Oft mussten bei einer Lieferung drei Kötzen (Tragekörbe) voll Silbergeschirr zur Stelle gebracht werden, … .“6
Erst ab den 70er Jahren, als die Herrschaft Schmalkalden Wittum der Landgräfin Hedwig Sophie geworden war, konnte die völlig verarmte Stadt anfangen, langsam ihre Kriegsverluste an Kirchengerät auszugleichen. Inzwischen hatte man sich geeinigt, die Stadtkirche St. Georg wechselseitig von der lutherischen und der reformierten Gemeinde zu nutzen. Das führte zu der bizarren Situation, dass beide Glaubensrichtungen des Protestantismus auf jeweils eigenem, nur von ihnen benutzten Abendmahlsgerät beharrten. Vor allem ging es um den Ersatz der eingeschmolzenen schwergewichtigen Abendmahlskannen. Da bis auf wenige Ausnahmen, z. B. Sigismund von Reiß (Nr. 12), die Goldschmiede Schmalkaldens Lutheraner geblieben waren, Landgräfin Hedwig Sophie allein Reformierte in ihrem Wittum förderte und beauftragte, ließen sie und weitere reformierte Stifter der Gemeinde, die benötigten neuen Abendmahlskannen ausschließlich von reformierten Goldschmieden Kassels anfertigen (siehe Abb. 5).7
Die Kannen in Humpenform entsprechen in ihrer schlichten barocken Ausführung ganz den profanen Wein- oder Bierhumpen der Zeit und tragen nur – abgesehen von der 1701 datierten Kanne – ohne weiteren Schmuck allein die ausführlichen Stifterinschriften.
Ganz anders in Form und Ausstattung zeigen sich die Kannen, die für die lutherische Gemeinde als Ersatz für die verloren gegangenen Gefäße von den Schmalkaldischen Goldschmieden gearbeitet wurden. Die zwei 1682 und 1686 datierten Kannen, die anzufertigen Johann Jacob Renner (Nr. 14) von Stiftern der Gemeinde beauftragt worden war, haben eine Form gleich den Schenkkannen der Zünfte, das heißt hohe zylindrische Gefäßkörper auf breit ausladenden Füßen mit gedeckeltem Ausguss und kräftigen Ohrenhenkeln. Im Gegensatz zu den Kannen der Reformierten bedeckt ein umfangreiches Bildprogramm ihre Oberflächen. Unterhalb des Ausgusses ist großflächig Christus am Kreuz als Dreinageltypus graviert. Von vergoldeten Lorbeerkränzen umgeben werden in vier bzw. fünf Medaillons, kombiniert mit Psalmen, die Stifterleben geschildert (13b, c). Michael Ludwig Poßin oder seine Werkstatt komplettierten 1705 mit einer Kanne in gleicher Ausführung nun den Dreiersatz für die lutherische Gemeinde (17e). In drei vergoldeten Lorbeerkartuschen wird ausführlich auch hier die Stiftergeschichte vorgestellt.
M. L. Poßin (Nr. 17) war sicher der bedeutendste Goldschmied Schmalkaldens Ende des 17. Jahrhunderts. Er fertigt für die lutherische Gemeinde von St. Georg 1702 einen Kelch ganz im Stil der Zeit (17c). In guten Proportionen sind Sechspassfuß, Kissennodus und Becherkuppa im Stil des Hochbarock aufeinander abgestimmt. Für die reformierte Gemeinde Steinbach-Hallenberg gelingt ihm 1698 ein Kelchpaar, das ganz den Geist des Deutsch-reformierten Bekenntnisses zum Ausdruck bringt (17a). Sieht man von den auf die Fußrücken platzierten Puttenköpfchen ab, könnte dieses Paar mit seinen aufs Äußerste reduzierten Sechspassfüßen, den nur durch Zierrillen aufgeteilten Nodi und den becherförmigen Kuppen durchaus als ein Produkt der Neuen Sachlichkeit der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts durchgehen.
Johann Her(r)man(n) Schaft(en) (Nr. 19) ist, den erhaltenen Arbeiten nach, der gefragteste Goldschmied in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Bei seinen handwerklich beachtenswerten Arbeiten ist eine gewisse Rückwärtsgewandtheit aber nicht zu übersehen. Die etwas steifen schablonenhaften Gravuren auf seinem Becher waren eigentlich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts modern (19a), die Laffe seines Vorlegelöffels ist noch mit „Rattenschwanz“ verstärkt, ein technisches Detail, das 20 bis 30 Jahre zuvor bei der Löffelherstellung üblich war (19b). Schaftens Kelche stehen zwar auf abgestuften Sechspassfüßen, doch die kissenförmigen Nodi besitzen noch immer Rotuli (19c, e).
Die dem Georg Christian Schaften (Nr. 25) zugeschriebenen Arbeiten sind ihm nicht alle mit letzter Sicherheit zuzuordnen, weil wegen möglicherweise gleichem Meisterzeichen GCS auch Georg Christian Schreiber (Nr. 29) als Urheber spät entstandener Arbeiten infrage kommen könnte. Ein für die Gemeinde Kleinschmalkalden um 1745 geschaffener Kelch entstand in klaren klassizistischen Umrissen unter Verwendung eines Nodus, der von einem zerstörten Kelch aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammt (25a). Sein um 1770 entstandener Kelch für die Gemeinde Trusetal mit seinem gestuften Sechspassfuß, dem kleinen Nodus mit Rotuli und der großen Becherkuppa weist noch immer die barocke Behäbigkeit des 17. Jahrhunderts auf (25c). Den 1755 für die Gemeinde Asbach bestimmten Kelch dagegen arbeitete Schreiber im frühklassizistischen Formenkanon, verzichtet aber immer noch nicht auf einen Nodus mit den für Schmalkalden typischen Rotuli (25b). Seine um 1780 entstandene Zuckerdose hingegen ist in allen ihren Teilen ein Produkt des Rokokos (25d).
Von dem etwa zwischen 1755 bis 1771 tätigen Adam Balthasar Hert (Nr. 27) blieb eine Löffelschale mit geraden Zügen erhalten, die aus zu verschiedenen Zeiten entstandenen Teilen, den unterschiedlichen Meisterzeichen nach, zusammengefügt wurde (27c). Dagegen zeigen seine Kelche für die Gemeinden Barchfeld, datiert 1761, und eine Gemeinde im Kirchenkreis Bad Salzungen-Dermbach, Thüringen, dass sie mit ihren gedrehten Zügen im Rokoko entstanden sein sollen (27a, b)..
Von den profanen Arbeiten des Johann Georg(e) Wiss (Nr. 30) gefällt besonders die Kaffeekanne in frühklassizistischen Umrissen (30a). Doch auch sie, frühestens 1790 entstanden, hinkt dem Stil der Zeit, dem Louis XVI., daher um zwanzig Jahre hinterher. (30a). Die Kelche seines Sohnes Georg Balthasar (Nr. 33) entstanden in guten Proportionen unter Verwendung von Fertigteilen. Weil weit entfernt von den Kasseler Behörden, sind viele für die Gemeinden der Herrschaft Schmalkalden gefertigte Abendmahlsgeräte nicht gemarkt. So trägt auch nur der Kelch für die Gemeinde Kleinschalkalden die geforderten Marken (33b), während die zwei weiteren mitabgebildeten Kelche ohne Marken nur über ihr Aussehen mit einiger Sicherheit der Werkstatt des Georg Balthasar Wiss zugeordnet werden können.
Den Abschluss der aus Schmalkalden erhaltenen Silbergeräte macht die 1852 für eine Gemeinde im thüringischen Kirchenkreis Henneberg von Andreas Friedrich Schreiber (Nr. 35) gearbeitete Oblatendose des Historismus in handwerklich beeindruckender Qualität (35b). Sie ist als Beispiel gut geeignet, abschließend summarisch eine kurze handwerkliche und künstlerische Würdigung der Arbeit der Goldschmiede von Schmalkalden zu versuchen. Ganz zweifellos wirkten seit dem 14. Jahrhundert in der wohlhabenden Stadt Goldschmiede, die gemessen an ihren erhaltenen Werken, keinen Vergleich mit den besten Vertretern ihres Berufs in den deutschen Territorien scheuen müssen. Und da der Reichtum der Stadt und seine wirtschaftliche und politische Bedeutung bis zum Dreißigjährigen Krieg immer weiter zunahmen, scheinen die Leistungen der Goldschmiede das hohe Niveau bis dahin mindestens gehalten wenn nicht sogar verbessert zu haben. Der Große Krieg wurde zur entscheidenden Zäsur. Die völlig verwüstete und verarmte Stadt sollte sich nie mehr wirklich von seinen Folgen erholen. Da die Auftragslage und die Kunst der Goldschmiede immer aufs Engste mit den finanziellen Möglichkeiten ihrer Stadt verbunden sind, blieben die erhaltenen Werke seitdem sicher von solider handwerklicher Qualität. Wie bei allen Goldschmiedearbeiten aus kleinen Provinzstädten – auf diesem Niveau verharrte Schmalkalden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts – werden eigene künstlerische Ansätze der Goldschmiede nicht mehr erkennbar. Stattdessen ist auch hier zögerliches traditionelles Verharren unübersehbar. Die Abendmahlskelche zeigen selbst noch im 18. Jahrhundert Stilelemente aus spätgotischer Zeit. Die erhaltenen profanen Arbeiten hinken der stilistischen Entwicklung zwanzig bis dreißig Jahre hinterher. Bei der großen Entfernung vom wirtschaftlichen und politischen Zentrum Hessen-Kassels und der unübersehbaren Vernachlässigung der Stadt, waren belebende Ideen, die von den Goldschmieden Schmalkaldens hätten ausgehen können, nicht mehr zu erwarten.
Anmerkungen
1. Von Beginn an hielt sich der Autor bei der Darstellung der kurzen Geschichte der hessischen Stadt, deren Goldschmiede vorgestellt werden sollten, strikt an die dazu bei Wikipedia erschienen Beiträge als Vorlage. So auch hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Schmalkalden. Doch hier musste vollumfänglich S. 130-137, Die Geschichte der Stadt Schmalkalden, Paul Weber u. Mitarb. Ernst Koch, in: Weber 1913 miteinbezogen werden.
2. Kelch, 2. Viertel des 14. Jahrhunderts, Stadtkirche St. Georg, Schmalkalden, Foto: D. Günther, 20.4.1992, für die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, Retusche: Autor (Lit.: Weber 1913, S. 173, Nr. 6, Tf. 94/5).
3. Alle Abendmahlsgeräte befinden sich im Kirchenschatz der Stadtkirche St. Georg, Schmalkalden.
3a, Kelch, um 1480, Foto: D. Günther, 20.4.1992, für die Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck, Retusche: Autor (Lit.: Weber 1913, S. 173, Nr. 5, Zuordnung nicht eindeutig).
3b, Kelch, um 1500, Foto: D. Günther, 20.4.1992, für wie 3a, Retusche: Autor (Lit.: Weber 1913, S. 172, Nr. 1, Tf. 94/1).
3c, Kelch, 1520, Foto: D. Günther, 1992, für wie 3a, Retusche: Autor (Lit.: Weber 1913, S. 173, Tf. 94/3).
4. Siehe. Stammbaum der Familie Rieß, in: Strieder 1799.
5. Siehe Meisterliste Nr. 45, in: Kassel 1998.
6. … die dann zu einem geringeren Preis angenommen und in das Hauptquartier nach Meiningen getragen wurden.“ (S. 134f., in: Weber 1913).
7. Die von ihr 1682, 1685 vom Forstmeister Gröben und 1701 von dem Adligen
Balthasar Waldenberg gestifteten Kannen fertigte der Kasseler Goldschmied Johannes Jehner (Meisterliste Nr. 51, in: Kassel 1998), die 1692 gestiftete Kanne des hessischen Hofrats Lucanus angeblich Valentin Humpff (Meisterliste Nr. 49, in: Kassel 1998).