An der westlichen Grenze zu Thüringen des fränkischen Reiches Karls des Großen gelegen soll seine – mit Sicherheit vom Kloster Fulda gefälschte - Schenkungsurkunde, datiert zwischen 776 und 779, erstmals die Existenz Allendorfs unter dem Namen „Westera“ belegen.
<<In Allendorf, das 1218 – das ist das offizielle Gründungsdatum - Stadt- und Marktrechte erhalten hatte, wohnten die reichen Eigentümer der Siedepfannen, in der selbständigen, auf der gegenüberliegenden Seite der Werra gelegenen Gemeinde Sooden dagegen meist nur die Salzarbeiter. Neues Bild mit Text >>
1637 zündeten im Dreißigjährigen Krieg kaiserliche kroatische Truppen Allendorf an. Bis auf die Grundmauern zerstört, musste die Stadt komplett wieder aufgebaut werden. Trotz Aufhebung des Salzmonopols im Jahre 1866 durch Preußen nach der Annexion Hessen-Kassels wurde weiter – letztlich über 1000 Jahre - in Siedehäusern bis 1906 aus Sole Salz gewonnen.
Zum Reichtum der Stadt hatte wesentlich beigetragen, dass sie an der wichtigen Handelsstraße von Frankfurt nach Lübeck lag.
Nach der Entdeckung der heilkräftigen Wirkung der Solequellen entwickelte sich Sooden zu einem Kurort und zog in seiner Bedeutung nun an Allendorf vorbei. 1929 erfolgte die Zwangsvereinigung der beiden, so nahe beieinanderliegenden Orte zu Bad Sooden-Allendorf.1
Von dem ersten urkundlich im 16. Jahrhundert nachweisbaren Goldschmied in Allendorf, Ludwig Unterbauer,2 werden sich wohl nie Arbeiten nachweisen lassen, da es zu diesem Zeitpunkt keine Stempelpflicht in Hessen-Kassel gab, die erst 1652, mehr als 60 Jahre später kam.
Von dem immer für Allendorf reklamierten Goldschmied Jacob Jehner (Nr. 2) ließen sich erst dann seine Lebensdaten finden als sich herausstellte, dass er in dem selbständigen, auf der anderen Seite der Werra gelegenen Sooden geboren und nach einem langen Leben auch dort beerdigt wurde.3
Wohl in Zusammenhang mit der geplanten Schaffung einer Gilde der Kasseler Gold- und Silberschmiede hatte die landgräfliche Regierung Hessen-Kassels am 22. November 1651 ein „Verzeichnis der im Land gesessenen Goldschmiede“ erstellen lassen.4 Danach arbeiteten zwei Goldschmiede in Allendorf: Jacob Jehner (Nr.2 der Meisterliste), der seine Werkstatt ja im wohlhabenden Allendorf betrieben haben könnte und Antonius Königsee (Nr. 3 der Liste). In der Werkstatt des Ersteren ist mit Sicherheit die 1632 in die Soodener Kirche St. Marien gestiftete Patene entstanden und auch der 1653gearbeitete Kelch. Der in der Heilig Kreuz / Nikolai-Kirche Allendorfs aufbewahrte Brotteller mit dem Allianzwappen der Vernucken und Nordeck zu Nordeck, datiert 1641, könnte ebenfalls von seiner Hand sein.
Gerade begann sich die Stadt langsam von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges zu erholen. Für die geraubten oder zerstörten Kirchengeräte musste zuerst Ersatz geschaffen werden. Von Königsee, dem Stammvater einer Goldschmiededynastie mit vier weiteren Mitgliedern, blieben für die Stadtkirche 1655 Kelch und (Rats-)Teller sowie 1659 Kelch und Patene in Niddawitzhausen erhalten.
Mit Beginn des 18. Jahrhunderts nahm der stilbildende dominante Einfluss der Kasseler Gilde immer mehr ab. So ließen sich in den kleinen Landstädten Hessen-Kassels wieder vermehrt Goldschmiede nieder. In Allendorf sind zunächst Johann Heinrich I., der Sohn des Antonius und dessen Sohn Johann Paul Königsee tätig (Nr. 4 und 5 der Meisterliste), beide noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufgewachsen und ausgebildet.
Von ersterem ist bisher nur das Taufbecken der Kirche erhalten. Die aus der Werkstatt des Johann Paul K. stammenden Kirchengeräte geben Auskunft, wer neben den wohlhabenden Bürgern Allendorfs der zweite, möglicherweise wichtigere Auftraggeber war: der landsässige oder reichsritterschaftliche Adel, der über Jahrhunderte, zu guten Teilen bis heute, in Burgen, Schlössern oder Rittergütern ihres ehemaligen Herrschaftsbereichs wohnt5 und in Allendorf damals Stadthäuser (sogenannte „Winterhäuser“) unterhielt.6
Reinhart Friderich von Boyneburg gen. Hohenstein (1693-1743), zu seiner Zeit im östlichen Hessen mit 19 eigenen Dörfern der einflussreichste Grundherr, ließ in den Jahren 1737-43 in die Patronatskirchen für Oberdünzebach, Neuerode und Motzenrode jeweils Kelch und Patene (Brotteller) von Johann Paul Königsee anfertigen. Er kam damit nicht nur seiner Pflicht nach, seine Patronatskirchen mit dem nur von ihm zu finanzierenden Abendmahlsgerät zu versorgen. Vielmehr verfolgte er über die auf ihm gravierten Wappen und Rangkronen auch politische Ziele.7
Selbstverständlich dürfte Johann Paul Königsee, wie seine Allendorfer Kollegen auch, profane Geräte für Bürger und Adel gearbeitet haben. Während in protestantischen Gemeinden Abendmahls- und Taufgeräte – unabhängig von Modeströmungen – bis heute in Gebrauch sind, brachte man in der Regel stilistisch veraltete profane Silbergegenstände zum nächst erreichbaren tüchtigen Goldschmied, um sich daraus solche nach neuester Mode anfertigen zu lassen.
Erst vom offensichtlich sehr erfolgreichen Goldschmied Carl Aemilius Zimmermann, auch er Gründer einer Goldschmiededynastie mit zwei weiteren Nachfolgern, blieb neben Kirchengerät auch ein Kannenpaar für Kaffee und Heißmilch erhalten, in Stil und Ausführung, wie auch die Kelche der Zeit, noch immer an Kasseler Arbeiten orientiert, wenn auch mit einiger Stilverzögerung. Von dem früh verstorbenen Goldschmied Johann Christian Stuckrad ist bisher nur die Reparatur eines Kelches bekannt.
Da spätestens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts alle Kirchen ausreichend mit Abendmahls- und Taufgeräten ausgestattet waren, stellten die zu dieser Zeit tätigen Goldschmiede der Familien Königsee und Zimmermann wohl ausschließlich Tafelsilber her. Sicherlich befindet sich in vielen Haushalten der Gegend um Allendorf Bestecksilber, wie ein jüngst erworbener Menülöffel des Johann Zimmermann beweist. Korpussilber wird nur noch sehr selten und eher zufällig auftauchen, selbst nicht von dem renommierten Johann David Kröschell, der in napoleonischer Zeit von Kassel in seine Heimatstadt zurückging, da er in der Residenzstadt kein Auskommen mehr fand.
Das Gleiche ist in der Kleinstadt Allendorf seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts, verstärkt durch sein letztes Jahrzehnt zu beobachten. Durch die Kriege mit dem revolutionären Frankreich in diesen Jahren und die Zeit des Königreichs Westphalen bis 1813 war es zu großer Teuerung gekommen. Keiner der zu dieser Zeit tätigen Goldschmiede konnte mehr von seinem Handwerk allein leben. Es grenzt an ein Wunder, dass sich neben oben erwähntem Löffel des Johannes Königsee noch Arbeiten von Vater und Sohn Kröschell erhalten haben. Denn nur Ersterer starb 1826 noch als Goldarbeiter, Otto Christian Königsee (Nr. 9) 1791 als Stadtbaumeister, Johannes Zimmermann (Nr. 11) 1801 als Ratsherr und Kirchenkollektor, Johannes Christian Zimmermann (Nr. 13) 1822 als Ratsverwandter und Otto Heinrich Kröschell (Nr. 14) 1877 als Bürgermeister a. D.8 Sie alle waren von qualifizierten Handwerkern aufgrund ihrer allgemeinen Tüchtigkeit zu angesehenen Dienstleistern geworden.
Bis 1888 stempelten die Goldschmiede Allendorfs entweder mit dem geschnittenen Beschauzeichen A in verschiedenen Umrissen bzw. mit eingetieftem A, schlugen ihre Meisterpunze zweimal auf von ihnen hergestellte Arbeiten oder stellten das Feingehaltszeichen 13 neben ihr MZ.9
Anmerkungen
1. Bad Sooden-Allendorf – Wikipedia.
2. Die Kirchenbücher von Allendorf des 16. und des 17. Jahrhunderts bis 1636 sind wohl verloren gegangen. Erhalten blieb für diese Zeit eine – allerdings sehr summarische - Aufstellung „Goldschmiede von Bad Sooden-Allendorf“ des ehemaligen Stadtarchivars Karl Adolf Schimmelpfeng (1876-1951), die im Stadtarchiv vor kurzem wieder aufgefunden in der Stadtchronik 1944/45 unter der Signatur E 1 Nr.2, Vol.8, S.130 aufbewahrt wird.
3. Jehner schickte seine Söhne Johannes und Jacob zu renommierten Kasseler Goldschmieden in die Lehre (siehe Meisterliste Nr. 26, 35, 51, in: Kassel 1988).
4. HstAM 17f V Vol I Nr. 1a, S. 63.
5. Siehe dazu ausführlich : Neuhaus, Patronatssilber.
6. Schimmelpfeng 1944
7. Siehe dazu ausführlich vor allem S. 310-317, die Nrn. 45, I, II, IIIa und b, in: Neuhaus, Patronatssilber.
8. Nach „Allendorf an der Werra 1789“, bearb. von Ulrich-Dieter Oppitz, Marburg u. Witzenhausen 1981, S. 51, sind in diesem Jahr zwei Goldschmiede tätig. A. g. O. heißt es weiter: „Es können aber die wenigsten [gewerbetreibenden Personen] von ihren Bedienungen und Gewerben subsistieren, … .“ Es muss dabei offen bleiben, wer von den drei infrage kommenden Goldschmieden (Nr. 9, 11 u. 13) nicht mehr in seinem gelernten Beruf tätig war.
9. In Allendorf markte Joh. David Kröschell (Nr. 12) ab 1809/10 im Königreich Westfalen und wohl auch danach seine Arbeiten französisch mit dem MZ DK in der Raute.
Scheffler war für sein Buch „Goldschmiede Hessens“ von einem ihm zuarbeitenden Helfer informiert worden, dass sich auf einem „Taufbecken“ eines Meisters CM als BZ das fünftürmige Wappen Allendorfs befände (Allendorf, Nr. 8 in: Scheffler, Hessen), aufbewahrt im Heimatmuseum von Eschwege. Bei Überprüfung der Sachlage vor Ort stellte sich heraus, dass es sich in Wirklichkeit um einen „Taufbecher“ handelt, der von Maria Francisca, Landgräfin zu Hessen, 1738 gestiftet worden war. Wie zu erwarten, zeigte sich auf ihm ein bis jetzt nicht identifiziertes BZ, denn in Allendorf gab es mit Sicherheit nie einen Goldschmied mit den Initialen CM.